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Wie weit seid Ihr bereit zu gehen, um einen geliebten Menschen wiederzubeleben? Diese sehr menschliche Frage wirft Don’t Nod in seinem neuen, storylastigen Action-Rollenspiel auf.
Das Verbanner-Duo aus der Kubanerin Antea und dem Schotten Red kümmert sich darum, gefangene Geister aus der Welt der Lebenden zu vertreiben. Doch als sie in den USA des 17. Jahrhunderts nach New Eden gerufen werden, um einen Nachtmahr zu bekämpfen, stirbt Antea und wird selbst zum Geist an Reds Seite. Für Euch stellt sich nun mehrmals im Abenteuer die Frage: Werdet Ihr Antea wiederbeleben oder sie in den Himmel auffahren lassen?
Wollt Ihr sie wiederbeleben, dann müsst Ihr im Verlauf des ca. 18-stündigen Abenteuers Menschen töten – die Entscheidung, ob deren Taten ein Todesurteil rechtfertigen, liegt nun bei Euch. Das ist dank vieler Grauzonen nicht immer einfach. Sehr gut! So oder so müsst Ihr Euch erst mal zurück nach New Eden kämpfen, da Ihr für beide Rituale Anteas Leichnam benötigt. Auf dem Weg durch die zwar sehr weitläufigen und verzweigten, aber häufig linearen Abschnitte trefft Ihr auf Siedlungen, in denen es zu Geistervorfällen kam. Der Ablauf erinnert dabei an Krimiserien wie ”Law & Order”, denn meist liegt hinter der Fassade eine tiefere Wahrheit begraben. Die Qualität der Geschichten schwankt mitunter. Einige der zahlreichen Nebenquests bieten durchaus spannendere Dilemmas an als die Hauptquest-Geschichten. Letztere kumulieren dafür in einem großen Boss-Finale, das in fast allen Fällen mit einem Gimmick daherkommt, für das Ihr eine bestimmte Taktik anwenden müsst. Das bringt angenehme Abwechslung rein, jedoch sorgt der Fokus auf diese Gimmicks auch für weniger Herausforderung als zum Beispiel im Soulslike-Genre.
Während Euch die Story mit ihren Entscheidungen von Anfang an gehörig motiviert, dauert es beim restlichen Grundgerüst, bis ein stabiles Fundament steht. Das liegt unter anderem daran, dass Antea und Red erst langsam Metroidvania-ähnliche Fähigkeiten erhalten, mit denen Ihr Felsen sprengt oder Ranken bezaubert, um sie schlussendlich mit Reds Flinte zu vernichten. Ebenso benötigt es trotz interessanter Tag-Team-Mechanik Zeit, bis die regelmäßigen Kämpfe gegen Schemen an Fahrt gewinnen.
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Ihr dürft jederzeit auf Knopfdruck zwischen Red und Antea wechseln. Antea kann zwar nicht erneut sterben, ist jedoch nur temporär verfügbar und schlägt mit ihren Fäusten zu. Red nutzt eine Klinge und seine Flinte mit endlosem Munitionsvorrat. Blocken, Parieren und Ausweichen sind später Pflicht. Interessant wird es jedoch erst, wenn die Schemen beginnen, in die herumliegenden Leichen zu schlüpfen, wodurch sie deutlich stärker und widerstandsfähiger werden. Insgesamt gibt es zwar zu wenige Gegnertypen, doch durch den Heldenwechsel und die Schlüpf-Mechanik – die Ihr auch unterbinden könnt, wenn Ihr schnell genug seid – bleiben die Gefechte unterhaltsam genug bis zum Abspann.
Den Schwierigkeitsgrad empfanden wir im Test als zu wechselhaft. Selbst als wir nur einer Hauptquest folgen, springen die Kreaturen munter im Level und sind zäher als erwartet. Auch spezielle Arena-Herausforderungen, die Ihr in den Seitenstraßen findet und mit denen Ihr Eure Attribute dauerhaft verbessert, sind knackig – vor dem Kampf könnt Ihr leider nicht sehen, ob Ihr Euch überhaupt mit den Biestern zu diesem Zeitpunkt anlegen solltet.
Die hübsche Spielwelt bietet reichlich Abwechslung. Schicke Wäldchen, fast schon bäuerliche Siedlungen und dreckige, schneebedeckte Festungen. In jedem Örtchen findet Ihr herumstreunende Siedler, die Ihr nahezu alle anquatschen könnt. Jeder davon hat spürbar eine Rolle im Dorf und Dinge, die ihn oder sie beschäftigen. Das verleiht der Spielwelt im Zusammenspiel mit den herrlichen Akzenten angenehm viel Glaubwürdigkeit. Ein paar Bewohner handeln zwar auch mit Ressourcen und Ausrüstung, aber dank viel zu geringer Verkaufspreise und einem eher unübersichtlichem Loot-System könnt Ihr diesen Aspekt ignorieren. Grundsätzlich gilt: Wählt Waffe, Rüstung und Ringe mit dem für Euren Spielstil besten Passiv-Perk und levelt dieses am Lagerfeuer auf, wenn Ihr könnt. Hier füllt Ihr auch per Rast Eure vier Heiltränke auf oder nutzt die Schnellreise, um in alten Gebieten frische Nebenquests anzugehen oder mit Anteas Fähigkeiten einige der optionalen Belohnungen abzustauben.
Meinung
Steffen Heller meint: Der erste Eindruck war mäßig: ein merkwürdig hohes Lauftempo, Treffer lassen Wucht vermissen und ohne den Kompass mit Symbolen würde ich mich kaum zurechtfinden. Doch die Grundprämisse des Spiels fesselte mich glücklicherweise lange genug an den Bildschirm, um zu sehen, wie Reds und Anteas Abenteuer im Verlauf immer weiter aufblüht. Die Spielwelt wird hübscher und erinnert an die schönen Landschaften aus A Plague Tale: Requiem, die Kampfmechaniken heben sich wohltuend vom Standard ab und durch Rätsel-Elemente wird mein Erkundungsdrang trotz des eher öden Loots kontinuierlich geweckt. Auch wenn es mir manchmal schwerfiel und ich mindestens eine Entscheidung bereue, hätte ich alles dafür getan, um Antea wiederzubeleben. Und zumindest mein erspieltes Ende hat mir sehr getaugt.
Fabiola Günzl meint: Anfangs habe ich mich etwas schwergetan, mit Banishers warm zu werden. Der zähe Einstieg und die repetitiven, zu einfachen Kämpfe ließen meine Hoffnung auf ein cooles Geisterjäger-Abenteuer im 17. Jahrhundert zunächst schwinden. Doch kaum wandelt Antea selbst als mächtige Wiedergängerin an Reds Seite, entwickeln sich sowohl die beeinflussbare, vielschichtige Geschichte als auch die grandios englisch vertonten Charaktere in eine äußerst positive Richtung. Auch erhöhen die Unwissenheit, wie sich meine Entscheidungen wohl auf den weiteren Spielverlauf auswirken werden, und viele kleine Geheimnisse, die sich oft nicht sofort lüften lassen, den Wiederspielwert enorm. Selbst wenn es technisch ein bisschen hakt (Bildrateneinbrüche) und das Kampfsystem wenig fordert, Banishers ist ein Geheimtipp.
Wertung
5 Schwierigkeitsstufen
ordentliche deutsche Vertonung, jedoch ohne die atmosphärischen Akzente
Entscheidungen haben Auswirkungen
Metroidvania-ähnliche Spielwelt
”Deluxe”-Edition enthält nur Kosmetik
Wenig überraschend punktet Don’t Nod bei der Story. Dank origineller Einfälle bei Kampf und Rätseln stören die Balance- und Loot-Schwächen kaum.
Singleplayer82MultiplayerGrafikSound
