MeinMMO-Redakteur Benedict Grothaus liebt American Gods. Leider wurde die Götter-Serie viel zu früh abgesägt, weil es irgendwann zu viel Chaos gab. Genau das macht aber den Charme aus und treibt den Mythologie-Nerd in ihm an.
American Gods ist ein Meisterwerk. Eigentlich liebe ich alle Umsetzungen der Werke von Neil Gaiman, obwohl ich nur wenige seiner Bücher und keine der Comics je gelesen habe. Die Serie um den Krieg der alten und neuen Götter ist aber absolut einzigartig:
Es geht darum, dass die Götter um die Herrschaft in der Welt kämpfen. Oder… nun, in Amerika, aber in Hollywood ist das ja meist dasselbe. Die Macher bringen dabei nicht nur das nordische Pantheon, sondern haufenweise namhafte Gestalten auf, die gegen die neuen Götter in den Krieg ziehen: die Medien. Mittendrin ein scheinbar unbeteiligter Typ von nebenan, Shadow Moon.
Die Serie ist Fantasy für Erwachsene, blutig, brutal, mit viel Sex und teilweise derbem Humor. Und übrigens auch eines der Vorbilder für den riesigen Erfolg von Baldur‘s Gate 3 und das will was heißen.
Im Original kommt die Serie von Starz, in Deutschland ist sie auf Amazon Prime zu sehen, umfasst aber nur 3 Staffeln. Zu wenig, wie ich finde, aber mit einem Grund: Nach Staffel 1 gingen die Bewertungen ziemlich nach unten. Dabei ist das, was alle kritisieren, ein unglaublich gutes Stilmittel.
Autoplay
American Gods verliert Schauspieler und damit Zuspruch
Auf IMDb hat American Gods eine Wertung von 7,6/10, also durchaus solide. Die Kritiker-Seite Rotten Tomatoes geht aber etwas näher ins Detail:
Staffel 1 bekommt hier eine starke Tomaten-Wertung von 91 % mit 84 % Audience Score.
Staffel 2 stürzt dagegen enorm ab: 61 % im Tomatometer, 63 % bei den Zuschauern.
Die dritte Staffel ist nur wenig besser und kommt auf 79 % Tomaten, aber fällt bei Zuschauern sogar auf 62 % ab.
Der Grund für die miesen Bewertungen sind etwa fehlende Kongruenz und Schwankungen im Storytelling. Das ist klar, denn: American Gods hat mehrmals den Showrunner gewechselt und etliche Mitglieder des Casts sind gegangen.
Diese Schauspieler hat American Gods verloren
Orlando Jones als Anansi, oder Mr. Nancy, durfte nach Season 2 nicht mehr mitmachen.
Mousa Kraish, der einen schwulen Dschinn spielt, musste ebenfalls nach 2 Staffeln gehen.
Gillian Anderson, bekannt als Agent Scully aus Akte X, spielte Media in ein paar Folgen, ging dann aber direkt wieder.
Die Broadway-Schauspielerin Kristin Chennoweth ist vielleicht der schlimmste Verlust für mich, weil ich von der Geschichte um die Göttin Ostara mehr erwartet habe. Sie und Anderson kamen angeblich deswegen nicht wieder, weil die Showrunner Bryan Fuller und Michael Green gegangen sind.
Eine vierte Staffel von American Gods soll es nicht geben. Dafür ist vielleicht ein Film geplant, wie die Kollegen von GameStar wissen.
Staffel 2 ist totales Chaos und unabsichtlich gut
Durch die vielen Verluste und die Neubesetzung in der Produktion kam es schließlich zu gleich zwei Neu-Ausrichtungen der Serie. Statt alte Geschichten weiterzuerzählen, hat American Gods mehrmals neu angefangen.
Dabei gibt es kaum Kritiker, die irgendwelche konkreten Beispiele nennen. Oft heißt es schlicht: „Das Writing wurde schlechter“, oder: „Die Story hält sich nicht mehr ans Buch, hat einen anderen Fokus.“ Fans der Bücher hat das gestört. Ich fand es großartig.
Denn wenn man die Story nicht kennt, passt genau dieses ständig Neu-Entdecken zu der Narrative:
Die Welt ist im Wandel, also gibt es täglich neue Veränderungen. Nichts ist sicher, vieles ist nicht so, wie es scheint. Die Hauptfigur, Shadow Moon, weiß überhaupt nicht, wer er noch ist und was er tun soll.
Und ja, die Staffel hatte einige Schwächen, auch in der Narrative. Die Tote Ehefrau nervt einfach. Aber das, was oft in der Kritik steht, ist eigentlich eine unerwartete Stärke.
Dass die Story selbst Sprünge macht und immer wieder neu ansetzt, hat genau diese Unsicherheit der Welt und die Aufgewühltheit in Shadow als Stilmittel gut umgesetzt – selbst wenn es keine Absicht war.
Hätte es eine vierte Staffel gegeben, hätte man all diese neuen Geschichtsstränge und die verirrten Ideen wieder aufgreifen können. Im Zweifel als großen Plan von Mr. Wednesday, dem Mastermind der Serie.
Ian McShane ist eigentlich der Star der Serie
Zuletzt habe ich American Gods nämlich gar nicht mehr geschaut, um zu sehen, was so mit Shadow passiert. Mich hat das Schicksal von Mr. Wednesday – oder Odin –, gespielt von Ian McShane, viel mehr interessiert.
Der oberste nordische Gott macht eigentlich keine Entwicklung in der Serie durch. Es werden nur immer mehr seiner Pläne aufgedeckt und die Szene, in der er sich endgültig offenbart, ist einfach nur grandios:
Als Mythologie-Nerd habe ich sowieso nach jeder Folge erst mal noch eine Stunde oder mehr auf Wikipedia und Co. verbracht, um mir durchzulesen, wer die ganzen Götter sind, die ich da kennengelernt habe. Und als selbst gläubiger Ásatrú war ich immer etwas hibbelig, wenn etwas passiert ist, das ich schon irgendwie aus den Geschichten kenne.
Ich kann verstehen, wenn Fans der Bücher enttäuscht sind, dass American Gods nicht so ist wie die Vorlage. Aber: Eine Serie ist eben ein eigenes Werk und sollte auch so betrachtet werden. Und als Serie mit eigener Story war American Gods überragend.
Serien, die Fantasy für Erwachsene gut umsetzen, gibt es ohnehin zu wenig. Darum hat mich das Ende von American Gods ziemlich getroffen, zumal erst kurz zuvor Supernatural zu einem Ende nach 15 Staffeln kam. Es ist schwer, gute Alternativen zu den beiden zu finden – Kollegin Marie Friske hat es trotzdem versucht: 7 Serien wie Supernatural mit starken Reviews auf IMDb
Der Beitrag Die größte Kritik an American Gods ist das, was die Serie eigentlich richtig gut macht erschien zuerst auf Mein-MMO.de.