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Obwohl die Branche gerade harte Zeiten durchlebt, geschehen hin und wieder Wunder. Eines davon ist der am 16. Februar erfolgte Release von Skull and Bones. Nach 10 Jahren Entwicklungs-Irrfahrt bei sehr rauem Seegang und Kosten von knapp 184 Millionen Euro dürfen wir jetzt doch noch die Segel setzen. Das Spielziel ist dabei schnell umrissen: Als Schiffbrüchiger der einst stolzen Exeter werdet Ihr nach einer verlorenen Auftaktschlacht von anderen Überlebenden aufgegabelt, mit denen Ihr dann in die Piratenhochburg Sainte-Anne schippert. Dort angekommen und weitere Tutorial-Lektionen gemeistert, lernt Ihr Piratenfürst John Scurlock kennen, für den Ihr anfangs immer wieder Aufträge absolviert und Euch so in der Welt einen ersten Namen macht.
Bis Ihr Euch in der zehnstufigen Freibeuter-Hackordnung ganz noch oben gearbeitet habt und das Endgame einsetzt, vergehen knapp 23 bis 25 Spielstunden. In dieser Zeit absolviert Ihr eine Vielzahl von Missionen, die Euch Questgeber in den zwei zentralen Piratennestern Sainte-Anne und Telok Penjarah und verschiedenen anderen begehbaren Orten zuschustern. Was in der Theorie recht spannend klingt, mündet in der Praxis in einer Ubisoft-typischen Spirale, die unterm Strich leider nur bedingt variiert wird und auf eine Handvoll Kernaktivitäten hinausläuft. Da wäre zum einen die Suche nach Crafting-Materialien. Dazu steuert Ihr für gewöhnlich klar gekennzeichnete Hotspots auf der Karte an und macht mit Speeren Jagd auf wilde Tiere wie Haie, Krokodile, Flusspferde etc. oder baut Ressourcen wie Akazienholz, Jute, und Eisen in einem unglaublich drögen Reaktionstest-Minispiel ab. Anschließend bringt Ihr Eure Ausbeute zu handwerklich begabten NPCs wie Schmied, Schiffsbauer und Zimmermann, um – passende Blaupausen vorausgesetzt – neue Ausrüstung und bessere Schiffe freizuschalten.
Nicht selten müsst Ihr zudem Ware wohlbehalten von A nach B schippern, Schatzkarten richtig interpretieren, um Objekte in der Spielwelt zu finden, Schiffswracks plündern, Forts angreifen und natürlich Seeschlachten schlagen. Letztere sind klar vom hauseigenen Assassin’s Creed: Black Flag inspiriert und eindeutig das spielerische Highlight von Skull and Bones. Neben gutem Timing beim Einsatz der zahlreichen Waffentypen wie etwa Kanonen, Bombarden, Torpedos, Ballisten, Mortars, Raketen etc. kommt es hier vor allem auf eine geschickte Positionierung auf offener See an, um rot markierte Schwachstellen feindlicher Schiffe präzise zu treffen, während Ihr gleichzeitig Feindfeuer bestmöglich ausweicht.
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Spielt Ihr im Koop mit bis zu zwei Freunden, sind zudem regelmäßige Absprachen wichtig – etwa wer Heilmunition verwendet, wer Gegner rammt oder wann man sich strategisch zurückzieht. Um nicht als Fischfutter zu enden, müsst Ihr zudem Wind- und Seegang berücksichtigen sowie die Ausdauer Eurer Crew im Auge behalten. Apropos Crew: Wer gehofft hatte, seine Mannschaft näher kennenlernen und detaillierter verwalten zu können, wird enttäuscht sein. Schade zudem, dass Entermanöver hier kaum mehr sind als das rechtzeitige Drücken einer eingeblendeten Taste – dicht gefolgt von einer repetitiven Ingame-Zwischensequenz. Dass Ihr, wie in Sea of Thieves, auch mal selbst den Säbel zückt, Fracht von Bord tragt, im Inneren des Schiffes manuell Reparaturen durchführt, per Hand Kanonen nachladet und dergleichen mehr, ist nicht vorgesehen. Inselerkundungen zu Fuß sind zwar möglich, meist jedoch nur in bestimmten Bereichen, die sehr übersichtlich ausfallen und nur wenige vorgegebene Interaktionen mit Questgebern, Händlern und einigen Umgebungsobjekte wie Kochtöpfen, Kletterseilen oder etwa Piratenfeuern erlauben.
Auch das auf den ersten Blick interessante Fraktionssystem entpuppt sich schnell als Augenwischerei ohne Tiefgang. Versenkt Ihr beispielsweise kontinuierlich Schiffe des Fara-Clans, steigt dadurch kurzfristig eine Art Feindseligkeits-Leiste, wodurch Ihr dann schneller in Gefechte mit dieser Fraktion verwickelt werdet. Lasst Ihr jedoch einige Minuten lang Gras über die Sache wachsen, ist alles wieder beim Alten. Ein System mit langfristigen Konsequenzen für das eigene Handeln gibt es leider nicht, hätte die Spielerfahrung aber merklich aufgewertet. Federn lassen muss Skull and Bones auch bei der erzählerischen Inszenierung: Eine als grobe Orientierung dienende Rahmenhandlung gibt es in der Anfangsphase im Zusammenhang mit besagtem Scurlock und Admiralin Rahma zwar, Spannung keimt aufgrund plumper Dialoge und vorhersehbarer Wendungen allerdings keine auf und die meisten anderen NPCs hat man schnell wieder vergessen.
Etwas besser funktioniert das Endgame. Hier geht es unter anderem darum, sich Produktionsstätten anzueignen, die dann wiederum seltene Waren wie Rum, Gin oder Opium herstellen, welche man anschließend handeln darf. Lohn der Mühe sind noch bessere Upgrade-Items, die das allgegenwärtige Grind-Hamsterrad weiter am Laufen halten. Gleiches gilt für andere Endgame-Aktivitäten wie die Jagd nach mächtigen Seeungeheuern und legendären Piraten-Lords. Sie zu Fall zu bringen, benötigt nicht nur ausgezeichnete Bewaffnung, sondern auch viel Ausdauer und idealerweise einige versierte Koop-Mitstreiter.
Meinung
Sönke Siemens meint: Skull and Bones ist und bleibt ein zweischneidiges Schwert, das durch seine unzähligen Verschiebungen leider kaum schärfer wurde. Auf der Haben-Seite stehen für mich weiterhin die in vier visuell reizvolle Regionen unterteilte Open World sowie die im Kern wirklich fetzigen Seeschlachten. Bei tosendem Seegang zusammen mit Freibeuter-Verbündeten prall mit Loot gefüllte Schiffe zu überfallen oder in kräftezehrenden Gefechten Seemonster auf den Meeresgrund zu befördern, macht Laune. Ebenso wie das kontinuierliche Aufrüsten der eigenen Flotte mit immer mächtigeren Waffen-Systemen. Abseits seiner fest verankerten Loot-Spirale hat Skull and Bones jedoch kaum Rückenwind. Mitreißende Storyelemente sind nicht vorhanden, mein Handeln gegenüber anderen Fraktionen zeigt lediglich temporäre Folgen, der Zu-Fuß-Aspekt fühlt sich viel zu eingeschränkt an und auch technisch wirkt das Gebotene häufig veraltet. Kein völliger Schiffbruch, aber leider auch nicht die erhoffte Piraten-Offenbarung! Ob weitere Content-Updates eine Trendwende bringen, bleibt abzuwarten.
Wertung
Cross-Play funktioniert tadellos
KI liest auf Wunsch Chat-Nachrichten vor
Maus- und Tastatur-Unterstützung
Spannende Seeschlachten und eine ambitioniert ausgearbeitete Spielwelt treffen auf lahme Zu-Fuß-Abschnitte und jede Menge Grind.
Singleplayer64MultiplayerGrafikSound
