Fünf der größten deutschen Twitch-Streamer zu League of Legends spielen gemeinsam in einem Team: No Need Orga (NNO). 2022 gelang es NoWay, Tolkin, Agurin, Broeki und Karni aus der zweiten Liga in die erste deutsche Liga von LoL aufzusteigen. Es war ein „Miracle Run“ gegen alle Widrigkeiten. 2 Jahre später stellen die Streamer ernüchtert fest: Hätten sie doch bloß nicht gewonnen.
Das war die Situation: Die 5 Streamer spielten in der 2. Deutschen Liga zu LoL und waren eigentlich ziemlich mies unterwegs. In einer Liga von jungen Spielern und Talenten, die es noch zu was bringen wollten, waren die 5 Streamer eher eine Hobby-Truppe. Sie hatten weder einen Trainer, noch feste Trainingszeiten.
Zwar hatten Spieler wie NoWay, Tolkin oder Broeki früher alle mal Profi-Luft geschnuppert, aber niemand hatte es ganz nach oben in die LEC geschafft, alle hatten sich maximal auf nationalem Level bewegt. Mittlerweile waren alle fünf Vollzeit-Streamer:
Broeki und NoWay waren zudem in ihren frühen 30ern angekommen und eigentlich zu alt, um noch mal richtig durchzustarten.
Toplaner Tolkin hatte einen Job bei Freaks4U und coverte LoL für Summoner’s Inn.
Agurin galt als bester Spieler des Teams und König der SoloQ.
Supporter Karni spielte eigentlich weit außerhalb seiner ELO, wenn er mit den anderen unterwegs war.
So richtig ernst nahmen die 5 Streamer den E-Sport nicht, der war nur Nebensache, das Wichtigste waren die jeweiligen Streams, da verdiente man sein Geld.
Aber dann passierte das Wunder: Gegen alle Widrigkeiten legten die fünf einen Wahnsinnslauf hin, gewannen plötzlich jedes einzelne Spiel und stiegen in die 1. Liga von LoL auf. Vor allem clevere Backdoor-Plays sicherten den Veteranen gegen deutlich jüngere Spieler häufig den Sieg.
Mit dem Siegeszug brachen sie einen Zuschauerrekord auf Twitch. Es wollten mehr Leute die zweite Liga sehen als die erste. Die deutsche Szene um LoL blühte plötzlich auf: Während das Finale der 1. Liga 30.000 Leute sahen, schauten beim Halbfinale der 2. Liga plötzlich 70.000 Leute zu.
Am Ende entschied ein irres Play von Tolkin das Finale. Tokin hatte vorher seinen Job beim Partner von Riot kündigen müssen, weil er nur so um den Aufstieg spielen durfte.
Das erfolgreichste Team bei LoL ist Eintracht Spandau – mit dem Team wurde NNO häufig verglichen:
Autoplay
Streamer kaufen einen Kader und gründen ihr eigenes Profi-Team in LoL
Das war das Problem: Die 5 Twitch-Streamer waren jetzt formell in die 1. Deutsche Liga aufgestiegen, aber konnten dort selbst nicht spielen. Ihr Twitch-Stream mit eigenen Sponsoren biss sich mit einem Engagement in der Prime League.
Man hatte gehofft, Riot Games mache eine Ausnahme, lasse sich auf irgendeinen Handel oder Kompromiss ein, aber die blieben hart.
Den Spot einfach verkaufen, das durfte man auch nicht. Die Regeln sahen vor, dass man ein Jahr mit einem eigenen Team antreten muss.
Das war ihre Lösung: Die 5 Twitch-Streamer, als „No Need Orga“ bekannt, mussten dann doch eine Orga gründen, übernahmen die Spieler von Hertha BSC, die den E-Sport aufgaben, und wurden selbst zu „NNO Old“, während ihre Angestellten jetzt als NNO Prime in der 1. Liga spielten.
Kosten für das Team sind riesig – Streamer geben nach 2 Jahren auf
So ging das jetzt aus: In Streams erklärten NoWay und Tokin das Projekt jetzt für gescheitert:
Die Verträge der Spieler liefen jetzt aus und würden nicht verlängert
Die Kosten so eines Teams beliefen sich im Jahr auf etwa 450.000 € – und die kämen nicht wieder rein. Der E-Sport sei in einer Krise
Die einzelnen Twitch-Streamer hätten jeder um die 40.000 € in das Projekt reinstecken müssen und sie bekämen das Geld wohl auch nicht zurück
Als Geschäftsführer nicht gut funktioniert
So sieht man das Projekt heute: NoWay erklärt, man müsse ehrlich sein, als Geschäftsführer seien die 5 Streamer einfach ungeeignet, man habe nicht gut funktioniert. Das liege auch daran, dass alle zu unterschiedlichen Zeiten streamen, um einander auf Twitch aus dem Weg zu gehen.
Tolkin erzählt: NoWay habe den schlimmsten Job übernommen, ständig Post bekommen und musste sich mit Dingen wie der polnischen Krankenversicherung beschäftigen. Der bürokratische und zeitliche Aufwand, ein eigenes E-Sport-Team zu betreiben, sei einfach irre.
Tolkin erklärt, der Jungler Agurin hatte ein Analyse-Format für NNO geplant, das auch begeistert begonnen. Dann aber die Lust verloren, als zu wenig Zuschauer einschalteten. Dabei war sein Format, das einzige, das man an einen Sponsor verkauft hatte.
Ohnehin war das mit den Sponsoren ein Problem, denn die waren zwar bereit, NNO zu unterstützten, hatten aber kein großes Interesse am E-Sport, sondern wollten die gewaltige Reichweite der Streamer für sich nutzen. Die bissen dann in den sauren Apfel und gaben große Rabatte, verkauften sich unter Wert, ohne dass viel für sie heraussprang.
Streamer wünschen sich: Hätten wir 2022 doch das letzte Spiel verloren
NoWay sagt etwas bitter: Das Beste wäre es gewesen, man hätte den Miracle Run am Ende versiebt und im Finale das letzte Play verloren. Dann hätte man weiter in der 2. Liga um den Aufstieg gespielt, nebenbei gestreamt und sich den ganzen Ärger mit dem eigenen E-Sport-Team gespart.
Tolkin ergänzt: Er habe sich so oft gesagt, hätte er nur nie dieses Wahnsinns-Play gemacht, das damals den Wunder-Run besiegelte. Nächtelang sei er wachgelegen und habe sich gefragt: Warum bin ich damals nur über die Wand geflasht?
Das ist das legendäre Play, das Tolkin heute bereut:
Offenbar nervt die Streamer der ständige Vergleich mit Eintracht Spandau – denn HandOfBlood habe eine große Firma, die ihn bei allem unterstützt und sie sei eine Ausnahmeerscheinung im E-Sport. Damit könne man NNO nicht vergleichen.
Die Streamer versuchen jetzt noch das Gute an der Situation zu sehen, dass jeder von ihnen viel Zeit und Geld in das Projekt versenkt hat: Man wollte der deutschen Szene und den Spielern was zurückgeben und in jedem Fall die Gehälter der angestellten Profis zahlen. Er selbst, sagt Tolkin, habe noch für ein Mousepad gespielt – ihn mache es stolz, dass man den eigenen Profis ein volles Gehalt zahlen konnte.
Das deutsche LoL-Märchen stirbt im E-Sport-Winter
Das steckt dahinter: Dass 5 Twitch-Streamer nicht als Geschäftsführer funktionieren, war abzusehen. Das entspricht dem Klischee, dass man von Twitch-Streamern hat.
NoWay kann man sich noch als Mensch am Schreibtisch vorstellen, der mit versteinerter Miene Akten wälzt und in dicken Büchern irgendwelche Regelungen nachschlägt – bei Tolkin, der die Energie eines Flummis hat, fällt das schon schwer.
Allerdings war es auch Pech, dass die E-Sport-Blase genau jetzt geplatzt ist, als die 5 ihren Wunderlauf hatten und ihr eigenes Team gründeten.
„Der große E-Sport-Winter“ ist ein reales Problem: Sponsoren und Investoren sind seit 2022 viel knausriger und vorsichtiger als früher. Da sind auch in den USA riesige Organisationen und Teams eingegangen – 2022 war wohl einfach genau das falsche Jahr für einen Wunderlauf und die Gründung eines E-Sport-Teams: LoL: In den USA stirbt gerade der E-Sport – 2-facher Meister verkauft angeblich Team und entlässt alle
Der Beitrag 5 deutschen Twitch-Streamern gelingt in LoL ein märchenhafter Siegeszug – Heute bereuen sie ihn erschien zuerst auf Mein-MMO.de.