Gran Turismo 5 Prologue – im Klassik-Test (PS3)

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Spiel:Gran Turismo 5 ProloguePublisher:SonyDeveloper:Polyphony DigitalGenre:RennspielGetestet für:PS3Erhältlich für:PS3USK:Erschienen in:5 / 2008

Gran Turismo-Jünger sind schon ein seltsames Völkchen. Sie tunen ihre Autos, bis sie vor Kraft nicht mehr fahren können, suchen in Haarnadelkurven nach entscheidenden Zehntelsekunden, sammeln japanische Familienwagen wie andere Leute Briefmarken, knipsen ihre Boliden aus den unmöglichsten Perspektiven und warten sehnsüchtig auf jede neue Episode. Endlich erbarmt sich Entwickler Polyphony und liefert einen Vorgeschmack des in der Mache befindlichen fünften Teils. Doch hinter Gran Turismo 5 ­Prologue steckt mehr als eine plumpe Demoversion…

Das merkt man bereits im Haupt­menü: Ist die PS3 mit dem Internet verbunden, werden neben Kalender und Uhrzeit auch aktuelle Wetterdaten bekannter Rennstrecken wie Silverstone oder Nürburgring eingeblendet – nur schade, dass Ihr dort nicht fahren dürft. Unter ’News’ findet Ihr zusätzlich Ereignisse wie Rennevents und virtuelle Cups in der ”Gran Turismo”-Welt. Auto-Enthusiasten laden sich außerdem im ’GT-TV’ genannten Videokanal Sendungen herunter, die sich nur um den Motorsport drehen. Für Nachschub ist gesorgt: Sogar etablierte Formate wie die englische ’Top Gear’ sollen erscheinen. Das Schöne dabei: Teilweise dürft Ihr die Berichte in High-Definition bewundern. Nach kurzer Wartezeit im Menü gelangt Ihr übrigens ins Museum, das mit Bildern und Kurztexten über die Geschichte großer Autohersteller und ihrer Kreationen informiert.

Doch genug des Vorgeplänkels, jetzt geht’s zum Händler: Bei illustren ­Herstellern wie Audi, Alfa Romeo, BMW, Lotus oder Mercedes wählt Ihr einen passenden Boliden aus. Neu in der PAL-Version sind klassische Asphaltschaukeln wie die Morrison Corvette und Rennboliden wie der ultra­flache Ford GT. Das Ferrari-Kontingent wurde um den legendären F40, den 512BB aus den 1970ern und den roten Formel-Eins-Renner von 2007 ergänzt.

Obligatorisch: Unzählige Nissan-Skyline-Varianten komplettieren das reichhaltige Angebot ebenso wie Suzuki-Kleinwagen. Zusätzlich sind einige Boliden in einer getunten Variante samt erhöhter Motorleistung und Spoiler-Kit im Angebot.

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Bei den Händlern findet Ihr auch herstellerspezifische Neuigkeiten in Textform sowie Marken-Cups. Nur schade, dass Euer knappes Startkapital gerade mal für einen Kompaktwagen reicht. Tipp: Schnappt Euch anfangs den Honda Integra – dieser bietet ein gutes Preis-/Leistungsverhältnis und bringt mit etwas Übung die schnelle Kohle beim ersten und sehr kurzen Missionsrennen (C-8).

Das führt uns direkt zu den ’Veranstaltungen’: Zehn Rennen erwarten Euch in der C-Klasse – erst dann dürft Ihr in drei höhere Klassen aufsteigen, in der üppigere Preisgelder winken. Zunächst liefert Ihr Euch GT-­typisch Wettkämpfe mit Kleinautos im ­’Sunday Cup’. Neben den üblichen Podiums-Rasereien erwarten Euch Aufgaben wie das Einholen aller Gegner in einer Runde oder das Erreichen einer vorgegebenen Rundenzeit.

Allzu leicht macht Euch Prologue das Gewinnen aber nicht. Dank runderneuerter Fahrphysik müssen sich auch alte Hasen erst eingewöhnen, und ein Gefühl für die verschiedenen Autotypen entwickeln. Mit dem differenzierten Fahrverhalten macht es schnell Spaß, die Boliden um die Kurven zu wuchten. Eine zuschaltbare Ideallinie kommt Einsteigern entgegen: Diese zeigt neben den rot markierten Bremswegen auch die korrekte Kurvengeschwindigkeit an. Hilfreich zur Seite stehen ebenso die obligatorischen Fahrhilfen, die Ihr nach und nach abschalten könnt, um bessere Rundenzeiten zu erringen. Ohne Aktiv-Lenkung, Stabilitäts- und Traktionskontrolle verfügt Ihr über deutlich mehr Macht über die eigenen vier Räder. Das kann im Grenzbereich fatal enden: Sobald die Reifen zu quietschen beginnen oder Ihr nur mit einem Rad neben der Strecke rast, werdet Ihr schnell zum passiven Passagier in einem ­unkontrolliert schleudernden Vehikel. Profis dagegen erspüren die Maximalhaftung auf dem Asphalt, fangen den Wagen schnell wieder ab oder leiten sogar Drifts ein. Diese Fähigkeit müsst Ihr schließlich bei den ’Drift-Rennen’ ­unter Beweis stellen. In drei Abschnitten legt Ihr gekonnt Gummi auf den Asphalt – bewertet werden Länge, Winkel, Geschwindigkeit und Rennlinie des kontrollierten Übersteuerns.

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Für ein Plus an Realismus sorgt der zuschaltbare Profi-Modus, der mit deutlich rutschigerem Fahrverhalten auch den besten GT-Piloten in seine Schranken verweist. Zusätzlich lassen sich die Boliden individuell anpassen: Neben Reifenwahl und dem Setup während des Rennens (siehe Kasten unten) dürft Ihr nach dem Absolvieren der ersten drei Rennklassen ins Schnelltuning-Menü. Hier verbessert Ihr die PS-Zahl und schraubt an der Aerodynamik sowie dem Fahrwerk.

Zusätzlich lauern 15 Gegner auf der Strecke, die nur eines im Kopf haben: die Zielflagge. Allerdings wurden die serientypischen KI-Dickschädel aufgeweicht: Die CPU-Kameraden rammen Euch kaum noch von der Piste und rangeln untereinander deutlich öfter – Perlenschnur ade! Dazu kommen die aus den vorigen Teilen bekannten Zeitstrafen: Rammt Ihr Gegner zu harsch aus dem Weg oder macht Ihr nähere Bekanntschaft mit der Bande, hagelt es Strafsekunden – zumindest bei den S-Veranstaltungen und im Online-Modus. Je nach Aufschlagshärte wird die ­Motorleistung für einige Sekunden auf 50 km/h gedrosselt. Das kostet Euch mitunter den Sieg!

Auf sechs Pisten dürft Ihr Euch austoben. Der fahrerisch abwechslungsreiche Suzuka Circuit besitzt neben einer Unterführung auch zahlreiche Überholmöglichkeiten. Zusätzlich tretet Ihr auf dem verkürzten East Course an, der nur die Schikanen des ersten Streckenabschnitts enthält. Weiter zum Superspeedway von Daytona: Das Rondell mit seinen über 30 Grad steilen Kurven wird von zwei riesigen Tribünen und einer großen Boxengasse an der Innenseite flankiert. Doch eine Fahrt durch Letztere lockt leider keine ­Boxencrew hervor. Allerdings darf der Kurs in einer zweiten Variante mit forderndem Infield-Abschnitt befahren werden. Mit dem Fuji Speedway steht die dritte reale Rennstrecke am Start. Neulinge ­machen hier schnell Bekanntschaft mit den großen asphaltierten Auslaufzonen, denn die sich verengenden Kurven sind tückisch.

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Deutlich einfacher fährt sich der in der PAL-Fassung dazugekommene High Speed Ring: Weitläufige Kurven und hohe Geschwindigkeiten – hier kommt es auf geschicktes Windschattenfahren sowie schiere PS-Power an. Ganz anders fährt es sich vor der Eiger Nordwand. Den aus der Gran Turismo HD-Demo bekannten Kurs vor der kolossalen Kulisse der Schweizer Alpen befahrt Ihr rechts- und linksherum. Egal, in welche Richtung: Die Serpentinen sind eine Herausforderung – die blendende Sonne am Tunnelausgang tut ihr Übriges. Den Abschluss bildet der einzige Stadtkurs: Im eng abgesteckten London rast Ihr vorbei an rustikaler englischer Architektur zum Trafalgar Square und zurück zum Piccadilly Circus. Doch Sightseeing ist nicht: Die engen Kehren fordern volle Aufmerksamkeit, denn unnötiger Bandenkontakt vermasselt Euch die Bestzeit.
Das knappe Streckenaufgebot wird durch eine GT-Premiere aufgepeppt: Im neuen Online-Modus duellieren sich je nach Kurs bis zu 16 Fahrer in vorgegebenen Matches. Leider dürft Ihr (vorerst) keine eigenen Partien erstellen oder Freunde einladen. So duelliert Ihr Euch nach einer langen Verbindungszeit mit zufällig ausgewählten Artgenossen oder übertrefft die Bestzeit beim Rennen gegen die Uhr.

In technischer Hinsicht gehört Prologue zur Rennelite: In 1080p-Auflösung sind die akkurat umgesetzten Automodelle das Beste, was man an virtuellen Vehikeln bisher gesehen hat. Die polierten Karosserien samt Lackspiegelungen beeindrucken auch beim wiederholten Betrachten im ­Replay. Allerdings können die schicken Karossen nicht verbeult werden – ein Schadensmodell fehlt. Dafür entschädigt die Cockpitperspektive mit vielen Details, Innen- und Außenspiegeln sowie plastisch wirkendem Schattenwurf. Die Detailliebe hört auch neben der Strecke nicht auf: Gras bewegt sich beim Vorbeifahren, Zuschauer reagieren auf Crashs. Die Ohren schließlich werden von röhrenden Motoren sowie rockiger Lizenzmucke verwöhnt. Gran Turismo 5 Prologue ist auf Blu-ray Disc und als Download im Play­Station-Network für 40 Euro erhältlich.

Meinung

Thomas Stuchlik meint: Eins vorweg: GT 5 Prologue ist ein vollwertiges Rennspiel mit allem nötigen Drumherum. Dennoch hat man sich an den Kursen schnell sattgesehen, insbesondere an den optisch langweiligen Vertretern Suzuka Circuit, Daytona sowie Fuji. Die Renn­events sorgen für Kurzweil, doch nur der Online-Modus fesselt länger ans Pad bzw. Lenkrad. Leider können keine individuellen Matches erstellt werden, auch die langatmige Pause vor den Multiplayer-Rennen nervt. In Sachen Fahrzeugsetup und Fahrgefühl spielt Sonys Rennsim aber in der Oberklasse. So zaubert Prologue einen sehr guten, wenn auch nicht fantastischen Vorgeschmack zum nächsten GT auf den HD-Schirm. Fans greifen zu, Gran Turismo-Nörgler werden jedoch auch von diesem Teil nicht bekehrt.

Oliver Schultes meint: Vom hervorragend modellierten Interieur bezirzt und von der hohen Geschwindigkeit berauscht, hänge ich mich unkonzentriert an den Vordermann. Der verpasst in einer Kurve den Bremspunkt und schießt ins Kiesbett – und ich Dödel mit Karacho hinterher. Ein anderes Mal rangeln zwei Wagen vor mir um die Spitzenposition: Einer verreißt das Steuer und fliegt mit qualmenden Reifen von der Strecke. Die CPU-Fahrer sind menschlicher geworden: Das bringt mehr Action und Überraschungsmomente – klasse! Mein Kollege Thomas hat es schon erwähnt: Prologue ist leider nur ein verheißungsvoller Vorgeschmack auf Teil 5, der zudem noch von vereinzeltem Tearing geplagt wird.

Wertung

71 originalgetreue Fahrzeuge
6 Strecken mit jeweils 2 Varianten
maximal 16-köpfiges Fahrerfeld
über 40 Renn-Events, aber kein Karriere-Modus

Die hochkarätige Asphalt-Simulation punktet mit erstklassiger Optik und spaßiger Online-Anbindung, bietet aber wenig Umfang.

 

Singleplayer80MultiplayerGrafikSound

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