Eigentlich dachte MeinMMO-Autor Schuhmann, dass das Gaming-Genre des Städtebaus seit den früheren 1990ern nichts Neues mehr zu bieten hätte. Doch das hat sich in den letzten Tagen geändert. Der Steam-Hit Against the Storm findet eine neuen, innovativen Dreh für das Genre: Eine erfrischende Innovation, mit der man kaum noch rechnen konnte.
Das ist meine Vergangenheit Städtebau-Spielen: Ich hab als Kind und Jugendlicher viele Städte-Bau-Spiele gezockt, damals war das angesagt, gerade bei uns in Deutschland. Wir sind ja ein Volk der Strategiespieler, die gerne auch in ihrer Freizeiten arbeiten und was aufbauen. Es gab 2 Typen von Städtebau-Spielen.
Bei „Missions-Städtebau“ wie Pharao oder Caesar baute man kleine Siedlungen und Städte, die man perfekt gestalten musste, um bestimmte Ziele zu erreichen. Es waren statische Spiele: Man musste die Missionen eigentlich auswendig lernen. Ziel war es, dass Bürger in einem Viertel möglichst alle Bedürfnisse erfüllt bekommen oder dass gewisse Produktions-Quoten eingehalten werden.
Bei „offenen“ Städtebau-Spielen wie Sim City konnte man immer weiter wachsen und dann das, was man gebaut hat, staunend beobachten, wie eine Ameisenfarm. Das war auf die Dauer etwas ziellos.
Ich hab beide Arten von Spielen in den früheren 90ern ausgiebig gezockt. Aber Sim City 2000, das 1993 herausgekommen war, begeisterte mich so 1995, 1996 herum als letztes Spiel im Genre. Das zog mich damals voll in seinen Bann. Daran hab ich noch lebhafte Erinnerungen. Das war meine letzte große Städtebau-Liebe.
Autoplay
Genre wird 30 Jahre lang zwar immer hübscher, aber stagniert
Was war das Problem? Ich hab in den letzten 30 Jahren immer wieder Städtebau-Spiele gespielt, aber so richtig hereingezogen hat mich das Genre nicht mehr. Es war eigentlich immer dasselbe, nur mit einem anderen Anstrich. Aber seit Caesar 1992 und Sim City 2000 im Jahr 1993 stagnierte das Genre.
Den Missions-Städtebau gab es noch in Spielen wie Tropico 1 bis 6, was ich auch mochte, vor allem den El-Presidente-Humor und die Stimmung der Spiele, aber so richtig begeistert hat mich Tropico nie. Bei Tropico gab es eigentlich immer zu wenig Abwechslung: Die Missionen waren, wenn man sie einmal kannte, doch statisch und man konnte jede Stadt gleich aufbauen.
Den offenen Städtebau von Spielen wie City Skylines fand ich dann ziellos. Was sollte man da groß machen? Eine riesige Stadt aufbauen, nur um sie dann von Godzilla oder Tornados zerstören zu lassen, die man selbst per Knopfdruck herbeiruft?
Ja, ich weiß, dass für viele Manor Lords ein großartiges Spiel war – mich hat es kaltgelassen.
Ich hab dann in den letzten Jahren lieber Städtebau-Games mit Rollenspiel-Elementen gespielt, also „Kolonie-Simulationen“ wie Rim World oder gleich 4x-Strategiespiele wie Civilization oder Crusader Kings 3.
Mir hat im Städtebau die Innovation gefehlt, das konnte ein hübscher Skin wie bei Tropico nicht ausgleichen.
Against the Storm weckt ein Genre aus seinem Schlaf
Das hat sich geändert: Nachdem Kollege Grothaus seit einem Jahr davon schwärmt, was ich aber erfolgreich ignorieren konnte, hab ich mir am Samstag nun doch noch „Against the Storm“ geholt. Das Spiel kam im Dezember 2023 auf Steam und hat dort irre gute Bewertungen. Kostet in der „Complete Edition“ auch nur 30 €.
Ich hab über das Spiel nichts gehört oder mir zumindest nichts gemerkt, außer dass es sehr gut ist: Ich ging also ohne große Erwartungen in „Against the Storm“ und das Spiel hat für mich jetzt den Städtebau revolutioniert.
Ich hab seit Samstag, in 4 Tagen, etwa 50 Stunden mit dem Spiel verbracht und bin wie gefesselt davon.
Der Gag ist es, dass „Against the Storm“ ein PvE-Spiel ist, also „Spieler gegen Umgebung“, aber es gar keine wirklichen Feinde im Spiel gibt, sondern nur die unerbittlich tickende Uhr und einzelne Herausforderungen, die negative Auswirkungen haben, solange sie aktiv sind.
Dabei ist jede Karte im Prinzip relativ gleich: Man beginnt auf einem winzigen Fleck und muss Bäume abholzen, um weitere Bereiche der Karte und damit Ressourcen und neue Herausforderungen freizuschalten. Die Herausforderungen starten häufig einen Timer. Aber es gibt „variable“ Elemente auf jeder Karte, bestimmte Modifikationen, Einschränkungen oder Varianten, die ein anderes Spiel möglich machen. Das fängt schon damit an, welche 3 Völker man für eine Karte zur Verfügung hat:
Sind Biber dabei, wird man seinen Fokus auf Holzproduktion legen können und müssen, denn die Nager bauen rasch Holz ab und wohnen in Hütten, die rein aus Holz gebaut sind
Hat man aber Frösche als Start-Volk verschiebt sich der Fokus total auf Stein
Echsenwesen hingegen brauchen ganz dringend Fleisch, sonst meckern sie – Und wenn sie meckern, sind sie kurz davor, das Spiel zu zerstören, denn jeder verlorene Dorfbewohner kostet Zeit und erhöht den Druck auf den Spieler
Against the Storm hat das dynamische Element, das dem Genre fehlt
Diese Varianten klingen auf den ersten Blick nicht nach viel Abwechslung, aber sie sind das dynamische Elemente, das dem Genre gefehlt hat: Es sorgt dafür, dass sich jede der 90 Minuten dauernden Partien gerade so verschieden und individuell anfühlt, dass man von seinem gewohnten Plan abweichen und improvisieren muss.
Das ganze Spiel besteht daraus, seinen eigentlichen Plan auf die aktuellen Umstände anzupassen: Dafür sorgen zahlreiche Zufallsfaktoren. Denn ich kann nicht einfach immer nach dem optimalen Schema F bauen: Kornfeld – Mühle – Bäckerei. Sondern ich muss beim Auswürfeln Glück haben und darauf hoffen, dass mir das Spiel die richtigen Baupläne gibt und ich nicht bei Kornfeld – Kupferbrennerei – Teehütte herauskomme und dann praktisch gar nichts bauen kann.
Die Spiel-Systeme von Against the Storm sind clever gemacht: Es gibt hier keine gegnerische Fraktion, sondern das Spiel ist so gestaltet, dass Spieler trotz des Zufallsfaktors immer effizientere Städte bauen müssen, um die Herausforderungen zu meistern, die einem das Spiel entgegenwirft.
Im Prinzip sagt dir das Spiel: „Bau deine Stadt so auf, dass du sie innerhalb einer kurzen Zeitspanne so umfunktionieren kannst, dass sie Produkt X 20-mal herstellt“ und man muss dann sicherstellen, dass die Stadt mit ihren Produktionsketten so aufgebaut ist, dass sie das Produkt X in kurzer Zeit herstellen kann.
Das hört sich abstrakt an, übt aber einen wahnsinnigen Sog aus.
Extrem befriedigende Lernkurve
Dadurch entsteht die Sog-Wirkung von Against the Storm: Against the Storm hat so viele clever ineinander verschachtelte Produktionsketten und Systeme, dass es eine unglaublich befriedigende Lernkurve darstellt, das Spiel zu lernen und die Abläufe immer besser zu optimieren.
Als ich nach viel zu vielen Spielstunden endlich herausgefunden habe, wofür ich das ganze Regen- und Geysirwasser nutzen kann, war das ein Durchbruch. Aufgaben, die mir vorher unlösbar erschienen, waren plötzlich lösbar.
Zudem gibt es noch einen leichten Rollenspiel-Touch und den so wichtigen dauerhaften Fortschritt, der mir in Sandbox-Spielen fehlt: Denn nach jeder abgeschlossenen Partie, kann man sich wieder einen kleinen Vorteil für den Account kaufen, vielleicht ein Grundgebäude freischalten oder dafür sorgen, dass die Einwohner noch 2 % schneller laufen.
Ich hab jetzt 50 Stunden mit Against the Storm verbracht und Level 13 von 20 erreicht – bis jetzt ist es für mich eine bleibende Spiel-Erfahrung, die ich so noch nicht mal in Ansätzen in einem anderen Spiel hatte.
Durch die „Roguelite“-Elemente, dass es immer wieder neue Variationen der Karte und der Missionen gibt, kommt nicht dieses „Auswendig-lernen“-Gefühl von anderen Missions-Spielen auf und dadurch, dass man immer ein Ziel hat, fehlt dieses Irrelevante, was Sandbox-Städtesimulation für mich immer hatten.
Von mir eine klare Kauf-Empfehlung. Against the Storm steht aktuell bei 95 % positiven Bewertungen auf Steam. Fans von Strategiespielen sollten sich das echt mal anschauen, auch wenn sie – so wie ich – mit Städtebau eigentlich vor langer Zeit abgeschlossen haben. Das letzte Strategie-Spiel, das ich euch auf Steam empfohlen habe, war fast 10-mal teurer als Against the Storm nun: Ein Spiel auf Steam kostet sogar im Sale 272 €, wenn ihr es komplett wollt, doch die beste Kampagne ist kostenlos
Der Beitrag Ich hab in 4 Tagen 50 Stunden mit einem Spiel auf Steam verbracht – Seit 30 Jahren hat mich kein Städtebau-Game so erwischt erschien zuerst auf Mein-MMO.de.