Robert Habeck, Wirtschaftsminister und Vizekanzler Deutschlands, saß am 14. Januar 2025 vor 50.000 Zuschauern auf Twitch mit Streamer HandOfBlood am Fliesentisch. MeinMMO hat sich das mal genauer angeschaut.
Was war das für ein Stream? Am 14. Januar 2025 war Robert Habeck, Kanzler-Kandidat der Grünen, zu Gast im Stream von Maximilian „HandOfBlood“ Knabe auf Twitch. Zur Spitze sahen fast 50.000 Menschen zu, was die beiden am Fliesentisch zu bereden hatten. Wir haben auf MeinMMO bereits über den Stream berichtet.
Inhaltlich ging es um Themen, die HandOfBlood selbst bewegen. Der Streamer, der sich offenbar in einer Art Vermittler-Rolle im anhaltenden Konflikt auf Twitch sieht, sprach mit dem Politiker über Hass im Netz. Außerdem ging es um Tierschutz und den E-Sport. Auf GameStar findet ihr eine inhaltliche Aufarbeitung des Gesprächs.
Einen Mitschnitt des Streams könnt ihr euch direkt hier ansehen:
10 Jahre nach LeFloid – endlich kann auch Hännos Opa stolz auf ihn sein
Was macht das Gespräch so besonders? Dass ein Kanzler-Kandidat mitten im Wahlkampf plötzlich in einem Twitch-Stream zu Gast ist, Ostfreisen-Witze macht und sich Chat-Emotes erklären lässt,
In den USA gab es in dieser Richtung bereits ein paar Annährungersversuche. Da besuchte Donald Trump den umstrittenen Streamer Adin Ross auf Kick, während sich Bernie Sanders zur Unterstützung der demokratischen Kandidatin Kamala Harris auf Twitch erklären ließ, was Vtuber sind.
In Deutschland dürfte das Interview des YouTubers LeFloid mit der damaligen Kanzlerin Angela Merkel im Sommer 2015 noch am nächsten herankommen. Das 30-minütige Video wurde auf YouTube von fast 6 Millionen Menschen gesehen.
Einer der Zuschauer war HandOfBlood selbst, der damals kommentierte: „Jetzt wäre sogar mein Opa stolz auf mich. Also so an deiner Stelle und so… <3“ Nun hat er den YouTuber nicht nur eingeholt, sondern vielleicht noch einen drauf gesetzt. Auf Reddit meint ein Nutzer nun: „Früher musste LeFloid noch zu Merkel hin. Heute kommt Habeck zu Hänno.“
Das Machtgefüge scheint sich verschoben zu haben – hier sitzt kein leicht eingeschüchterter Content Creator vor dem Thron, sondern der Politiker ist zu Gast beim „Ober-Twitcher“ und muss sich in diesem Online-Umfeld zurechtfinden.
LeFloid sagte 2024 rückblickend über das Interview, ihm sei schon klar, dass er als Sprachrohr zu einer Generation „benutzt“ worden sei, an welche die Partei sonst nicht herangekommen sei. Für ihn sei das aber – abgesehen von einer interessanten Möglichkeit – auch ein „riesen PR-Stunt“ gewesen (via YouTube).
Die Kommentare geben ihm recht: Das sei damals ein riesiges Thema gewesen, auf dem Pausenhof sei noch wochenlang über das Interview gesprochen worden, heißt es da. Für viele war es damals wohl ein einschneidender Moment, in dem Lebensrealitäten zusammen kamen, die sonst kaum Berührungspunkte hatten: Eine große Politikerin sprach mit dem lustigen Typen von YouTube.
Spannend ist heute, dass das Habeck-Interview ausgerechnet bei einem HandOfBlood stattfand: Der Wahl-Spandauer ist zwar ein beliebter Gaming-Influencer, doch es gibt deutlich größere und etabliertere Streamer im deutschsprachigen Twitch.
Seit „Hänno“ Anfang 2024 seinen Wechsel von YouTube zu Twitch bekannt gab, hat er ein erstaunliches Talent bewiesen, prominente Gäste wie DJ Ötzi oder Evil Jared für seinen Stream zu gewinnen. Wie er jedoch selbst zugibt, seien das aber Entertainer wie er selbst gewesen – ein Politiker ist da nochmal ein ganz anderes Kaliber.
Der Stream scheint nun zu bestätigen, dass HandOfBlood eine besondere Funktion im deutschen Twitch einnimmt. Schließlich fällt es schwer, sich vorzustellen, wie Habeck bei MontanaBlack auf der Couch am Vape zieht oder mit Trymacs Clash of Clans zockt.
Den PR-Effekt dürfte auch HandOfBlood spüren: Sein Stream erreichte im Schnitt doppelt bis dreimal so viele Zuschauer wie sonst, zur Spitze war mehr als das Fünffache drin. Das dazugehörige Video auf YouTube steht nach 3 Stunden bei 20.000 Aufrufen (Stand: 12:30).
Ob die Rechnung auch für Habeck aufgeht, und man ein junges Publikum gewinnen konnte, wird sich spätestens am 23. Februar 2025 zur Bundestagswahl zeigen.
Autoplay
Kuriosität oder Wahlkampf 2.0?
Ein Meinungsbild lässt sich anhand der Online-Reaktionen auf den Stream nur schwer gewinnen, denn da scheint überwiegend der Kuriositäts-Faktor zu dominieren. „Jetzt habe ich alles gesehen!“, lautet der Titel eines Threads mit mehr als 2.500 Upvotes auf Reddit.
LoL-Kommentator „Mori“ spricht auf X von einem „Fiebertraum“, Twitch-Kollege „MrMoregame“ fand den Stream gar „Geisterkrank“ (via X) und GameStar-Kollege Maurice Weber lobt: „Ein Macher, dieser Herr Knabe.“ (via X)
In den Kommentaren unter sämtlichen Beiträgen liest man immer wieder, wie „stark“ die Aktion von beiden Seiten gewesen sei. Das Gespräch wird als angenehm und auf Augenhöhe empfunden – weit weg, von der sterilen Atmosphäre des LeFloid-Interviews seinerzeit.
Den ein oder anderen Sympathie-Punkt scheint sich Habeck also durchaus verdient zu haben.
Wer die Grünen vor dem Stream kritisch sah, tut das aber wohl auch hinterher. Zwischenzeitlich fluteten solche „Kritiker“ den Chat mit Hassnachrichten und blauen Herzen. Allzu viele AfD-Anhänger dürften sich aber ohnehin nicht in der Community von HandOfBlood befunden haben, denn denen gegenüber positionierte man sich schon 2022 eindeutig: LoL-Team von HandOfBlood positioniert sich gegen die AfD — „Perverses Verständnis von Freiheit“
Der Beitrag Vor 10 Jahren musste LeFloid zu Merkel – Jetzt sitzt Habeck vor 50.000 Zuschauern auf Twitch am Fliesentisch von HandOfBlood erschien zuerst auf Mein-MMO.de.