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”Warte, bis Du die Schreie von sterbenden Deutschen hörst”, ermahnt Sergeant Reznov in Stalingrad Private Petrenko. Beide sind Russen, beide mit amerikanischem Dienstgrad. Willkommen im Zweiten Weltkrieg, wie ihn sich Entwickler Treyarch vorstellt. Das Spiel geizt nicht mit harten, zynischen Betrachtungsweisen. Zwischen jeder Mission konfrontieren Euch die Entwickler mit Daten und Zahlen zur Kriegsindustrie, verfeinert mit historischen Filmaufnahmen. Doch eine klare Position bezieht das Spiel nie. Sollte dies ein Antikriegsspiel sein, ist die Botschaft gut versteckt.
Gleich in den ersten Spielminuten wird eine brennende Zigarre im Gesicht Eures amerikanischen Mithäftlings ausgedrückt, Sekunden später schneidet ihm jemand die Kehle durch. Als man auch Private Miller – das seid Ihr – ans Leder will, wird der Angreifer von hinten niedergestreckt. Nach diesem Auftakt nimmt Euch das Spiel an die Hand und lässt sie nicht mehr los. Wie auf den Schienen einer Geisterbahn rennt und schleicht Ihr durch enge Bunker und vermeintlich weitläufige Schlachtfelder, wo Euch die volle Wucht der zahlreichen Skript-Ereignisse trifft. Um Euch herum donnern Explosionen, pfeifen Kugeln vorbei und sterben Freund wie Feind. Zu unterscheiden sind sie ohnehin schwer. Gut, dass ’Friendly Fire’ nach Call of Duty 4 nur noch in der Wii-Version nervt.
An vorgegebenen Stellen überquert Ihr hüfthohe Hindernisse oder bemannt feste Geschütze, um feindliche Horden samt Kriegsgerät zur Strecke zu bringen. Doch nicht nur das Leveldesign erinnert an die Kirmes. Auch die Schusswechsel wecken Assoziationen zu den beliebten Schießbuden, bei denen Ziele plötzlich hinter ihrer Deckung erscheinen und wieder abtauchen. Lasst Euch am besten auf Tempo und Dramaturgie ein, die Euch die Entwickler vorgeben, dann stört das nicht weiter und das audiovisuell famose HD-Spektakel entfaltet seine volle Wirkung. Haltet Ihr Euch nicht daran, verpufft der Effekt schnell. Beispiel: Feindliche Soldaten stürmen ein Lager. Welle um Welle erledigen wir, um herauszufinden, ob an bestimmten Stellen unendlich viele Gegner nachrücken. Schließlich sorgte das im Vorgänger für Frust. Doch irgendwann wurde es still um uns herum. Keine Musik, kein Lärm, die Verbündeten regungslos. Dann ruft einer, wo es lang geht. Wenig später schießt er an uns vorbei, um den Eindruck zu erwecken, wir müssten flüchten. Nachdem eine ganze Weile nichts geschieht, gehen wir ein paar Schritte und passieren eine unsichtbare Linie – und plötzlich kommen doch neue Feinde.
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Für Ärger in mehrfacher Hinsicht sorgen Granaten: Die Wirkkraft der eigenen ist kaum spürbar, während Euch feindliche Sprengkörper meterweit aus der Deckung scheuchen. Im Eifer des Gefechts überseht Ihr zudem schnell die eingeblendete Warnung bzw. Aufforderung zum Zurückwerfen. Wir sind sogar mehrfach gestorben, ehe der Warnhinweis überhaupt zu sehen war. Nützlicher ist da schon der angepriesene Flammenwerfer. Mit unendlichem Munitionsvorrat ist er auf kurze bis mittlere Entfernung eine starke Waffe. Nach Gebrauch muss er lediglich abkühlen. In den neuen Panzerpassagen wollen jedoch manche Feinde einfach nicht sterben, obwohl das Gras um sie herum bereits lichterloh brennt. Versengtes Fußvolk fällt in der deutschen Version übrigens ohne sichtbaren Schaden sofort zu Boden.
Trotz der Ärgernisse ist Call of Duty: World at War ein mitreißendes Spiel – die Steuerung punktgenau und flott, ebenso die Grafik, die mit 60 Bildern pro Sekunde und spektakulären Effekten beeindruckt. Teils schwache Texturen und eine gewisse Sterilität stören kaum. Da die Solo-Kampagne in zwei Szenarien stattfindet, ist auch für grafische Abwechslung gesorgt. Wo der Pazifikeinsatz gegen Japan auf Grün- und Brauntöne setzt, legen Stalingrad und Berlin den Schwerpunkt auf Grau. Auch akustische Vielfalt wird geboten: Von treibenden Industrial-Beats bis zu pathetischen Orchesterklängen sorgt ein breites Spektrum für die passende Untermalung.
Neben dem offenen Kampf steht in Stalingrad auch Schleichen auf dem Programm. Ihr folgt Eurem Vorgesetzten durch Straßen und Häuser, flüchtet vor deutschen Flammenwerfern und schaltet einen Scharfschützen aus. Im Pazifik hingegen schützt Ihr an Bord eines Blackcat-Flugzeuges Eure Flotte vor japanischen Jägern. Wechselt dabei ständig die Geschütze und rettet Überlebende – definitiv der inszenatorische Höhepunkt eines Spiels, das sonst oftmals zu sehr an die Vorgänger erinnert.
Wer Call of Duty 4 gespielt hat, fühlt sich bei World at War sofort heimisch, die altmodischen Waffen sind nach den Hightech-Wummen aber ein Rückschritt. Fortschrittlicher gibt sich der Mehrspieler-Modus, der den des Vorgängers aufgreift und verfeinert. Im Rahmen des erweiterten Perks-Systems sammelt Ihr Erfahrungspunkte und erwerbt neue Fähigkeiten, während Ihr mit zunehmendem Rang immer neue Möglichkeiten und Modi ergattert. Zudem spielt Ihr die Kampagne optional im Quartett oder zu zweit mit geteiltem Bild.
Auf der PS2 erlebt Ihr andere Levels, in denen extremes Ruckeln und Zappel-Texturen die Orientierung und das Zielen erschweren. In Bewegung wirkt Call of Duty: World at War – Final Fronts abstoßend und ist nur mit einhergehender Schwindel-Warnung zu empfehlen. Sogar die DS-Version sieht im Verhältnis besser aus. Detaillierte Grafiken sausen über den oberen Bildschirm, während Ihr auf dem unteren die Blickrichtung bestimmt. Gesteuert wird per Kreuz, geschossen mit der Schultertaste. Weil Zielen nur über einen zu kleinen Button auf dem Touchscreen möglich ist, spielen sich die Schusswechsel unnötig kompliziert. In spannenden Minispielen entschärft Ihr Landminen und richtet Mörser aus. Die Wii-Version ist nahezu inhaltsgleich zum HD-Krieg und schlägt sich trotz schwächerer Technik tapfer. On- und Offline-Modi sind optional mit dem Wii Zapper spielbar.
Meinung
Michael Herde meint: Der Online-Modus sowie die gelungen umgesetzte Splitscreen-Kampagne sind fantastisch, technisch ist das Spiel eine Wucht. Es reißt Euch mit, schüttelt Euch durch und lässt Euch mit Schwindel und Ohrensausen zurück. Doch plant nicht, die eng gesteckten Pfade zu verlassen! Was die Entwickler nicht wollen, geht nicht. Okay, die höheren Schwierigkeitsgrade lassen ohnehin keine Zeit zum Erkunden. Nervig sind aber die unausgewogenen Granaten und teils lahme Waffen. Der Flammenwerfer wiederum ist dermaßen stark, dass er mir in jeder Sekunde, in der ich ihn benutze, klar macht, wie geil die Entwickler anscheinend Krieg finden. Nicht, dass es diesen Hinweis noch gebraucht hätte.
Philip Ulc meint: World at War bietet mir zu wenig Eigenes, und wenn, dann wirkt es schlecht umgesetzt: Der Flammenwerfer ist zu stark, die Panzermission ein spielerischer Witz, der Schleicheinsatz aus dem Vorgänger geklaut. Mir fehlt das storytechnische Drumherum – die Missionen sind lose miteinander verknüpft, der Entwickler setzt darauf, dass ich im Geschichtsunterricht aufgepasst habe. Der Grundtenor des bombastisch inszenierten Weltkrieges ist Rache und Vaterlandsstolz. Wüste Feindbeschimpfungen im Sekundentakt sind daher gängige Alltagssprache im nachgestellten Pazifik-Krieg – befremdlich. Zumindest ist nach sieben Stunden reiner Spielzeit der Spuk vorbei.
Matthias Schmid meint: Wahnsinn! Die Action ist derart bombastisch in Szene gesetzt, dass die dümmliche Kriegstreiberei der US-Entwickler schnell in den Hintergrund tritt. Steuerung: tadellos. Grafik: genial. Spieltempo: hoch. Mit dem Flammenwerfer HD-Feinde abzufackeln, ist harter Tobak – schlafende Soldaten zu erschießen (wie in Call of Duty 4) aber nicht weniger verwerflich. Der Mehrspieler-Modus wird mich wieder für Monate fesseln: Die zerbombten Maps sehen klasse aus, das Aufleveln macht Laune und die Möglichkeit, Schäferhunde loszuschicken, ist ein toller Einfall.
Wertung
spielt zwei parallele Kampagnen
steuert erstmals Panzer on- und offline
Koop-Modus inklusive Splitscreen
Hirn aus, Feuer frei: Die moralisch fragwürdige Solo-Kampagne reißt mit, der Online-Modus überzeugt auf ganzer Linie.
Singleplayer84MultiplayerGrafikSound