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Vor einigen Jahren im Westen noch wahlweise als Geheimtipp gehandelt oder skeptisch beäugt, mauserte sich Capcoms Monsterjäger-Serie spätestens mit Monster Hunter World (90% in M! 02/18) zum internationalen Phänomen. Dem ließ das Team Monster Hunter Rise (91% in M! 05/21) folgen, das nur vermeintlich kleinere Brötchen backte, Nachwuchsjäger und alte Serien-Haudegen waren begeistert.
Mit Monster Hunter Wilds winkt nun das nächste große Abenteuer und die Community ist ganz offensichtlich in Jagdlaune. Das beweisen die Rekordzahlen der vorangegangenen Beta-Tests und auch wir haben natürlich beherzt ins Horn geblasen und zahllose Stunden in die Vollversion von Capcoms neuester Monsterhatz versenkt, um das ideale Testresultat zu jagen.
Im Zentrum der Handlung von Wilds steht der junge Nata. Diesen gabelt Ihr an der Grenze zum Verbotenen Land auf – eine unbekannte Region, die lange als unbewohnt galt. Verzweifelt berichtet das Kind von der Zerstörung seines Dorfes durch ein mysteriöses Monster, dem ”Weißen Geist”. Ursprünglich als alte Sage abgetan, zeigt sich die Jagdgilde vom Bericht über das grausige Biest motiviert, den Vorkommnissen nachzugehen. Ihr schlüpft also in die Rolle eines Jägers der Forschungskommission (den oder die Ihr im Vorfeld nach Euren Vorstellungen und wahlweise ähnlich kleinteilig wie im letztjährigen Dragon’s Dogma 2 gestaltet) und stürzt Euch mit gewetzter Klinge ins Gefecht.
Was in diesem Kontext schnell auffällt: Monster Hunter Wilds setzt auf eine merklich reichhaltigere Handlung als die Vorgänger. Hier werden nicht selten filmische Erzähl- und Stilmittel bemüht, um eine solide Geschichte auf die Beine zu stellen, die zudem von einer deutlich aufgebohrten Präsentation profitiert. Die Rahmenhandlung um Eure gefährliche Forschungsreise lässt dabei eine erfrischende Abenteuerstimmung aufkommen. Das ändert zwar nichts daran, dass die Story auch in Wilds letztlich weitgehend Mittel zum Zweck bleibt, um Euch von einer Jagd in die nächste zu lotsen – der Aufwand trägt aber zweifellos zur Immersion bei.
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”Immersion” ist auch das richtige Stichwort hinsichtlich der Spielwelt. Während es im Zuge der jüngeren Vorgänger bereits möglich war, sich ohne Ladezeiten in größeren Schauplätzen auszutoben, sorgte die Kombination aus missionsbasiertem Spielprinzip und separatem Hauptquartier nach wie vor für eine Spielerfahrung, die von regelmäßigen Unterbrechungen beherrscht war. Wilds geht den konsequenten nächsten Evolutionsschritt, indem es seine Welt verbindet und am Questsystem feilt, ohne das altbewährte Spielgefühl zu beeinträchtigen.
Keine Sorge: Euch erwartet keine typische Open World. Die Welt von Monster Hunter Wilds ist vielmehr so aufgebaut, wie Ihr es von der Serie gewohnt seid. Ihr erkundet im Spielverlauf weitläufige – und reichlich hübsche – Gebiete, die nun jedoch nahtlos ineinander übergehen und via Reitvogel ohne (bemerkbare) Ladezeiten bereist werden können. Das zentrale Hauptquartier verabschiedet sich derweil zugunsten von diversen Basislagern, die fest in den verschiedenen Gefilden der Welt verankert sind. Eine wachsende Zahl an provisorischen Lagern erweitert Eure Möglichkeiten, Euch zwischen den Jagdausflügen frisch zu machen. Euch steht es zwar weiterhin offen, aus einer Liste von Aufgaben zu wählen und Euch gleich zum Ort des Geschehens transportieren zu lassen. Wilds ermöglicht es Euch aber erstmals auch, einfach draufloszureiten, die Welt ohne Zeitdruck zu erkunden und frei umherlaufende Biester nach Gusto ins Visier zu nehmen. Ein Umstand, der – gerade nach Abschluss der Hauptgeschichte – für eine deutlich dynamischere Spielerfahrung sorgt.
Alles schön und gut, aber wie steht es um den wichtigsten Spielaspekt, die Monsterjagd? Tja, die ist wieder mal ein gewaltiger Spaß! Wilds lockt mit einer bunten, umfangreichen Riege an Monstern, die sowohl altbekannte Bestien und unverzichtbare Promi-Monster als auch spannende Neuzugänge umfasst. Ob Ihr solo, online mit Jagdfreunden oder mit CPU-gesteuerten Gilden-Kollegen loszieht: Als Serienfan fühlt Ihr Euch gleich zu Hause, wenn Ihr mit geschliffener Klinge und gefülltem Werkzeugbeutel auf Eure Beute losstürmt.
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Ihr macht einmal mehr die Schwachpunkte äußerst individuell agierender Monster aus und prügelt beherzt mit einer Waffe Eurer Wahl auf sie ein. Der Titel nimmt Neulinge dabei gelungen an die Hand und führt sie im Spielverlauf behutsam an immer bedrohlichere Ungeheuer heran. Bereits im Zuge der Hauptgeschichte warten dabei allerhand beeindruckende Biester darauf, in elektrisierenden Konfrontationen erlegt zu werden. Wohlplatzierte Treffer zu landen, nachdem man einem feindlichen Angriff gekonnt ausgewichen ist, fühlt sich dabei so befriedigend an wie eh und je. Audiovisuell erstklassig präsentiert, brachte uns manch toll inszenierte und musikalisch wie soundtechnisch grandios untermalte Jagd regelrecht zum Jubeln.
Ein erfreulicher Eindruck, der auch in diversen Neuerungen begründet liegt, die das bewährte Spielprinzip sinnvoll ergänzen. Im Laufe der Gefechte tragen Monster nun etwa Wunden davon, die Ihr gezielt via Fokusangriff ins Visier nehmt. Das erweitert die Konfrontationen um eine spaßig-taktische Komponente, erleichtert die Jagd auf spezifische Ressourcen und schmückt nicht zuletzt den Bildschirm mit befriedigend saftigen Schadenszahlen. Auch die Option, Euch von Eurem Reitvogel automatisiert zum Ziel tragen zu lassen, um die Reisezeit mit weiteren Vorbereitungen zu verbringen, sowie die Möglichkeit, eine zweite Waffe im Gepäck Eures Saikrii zu verstauen, entpuppen sich als clevere Quality-of-Life-Features, auf die Ihr schon bald nicht mehr verzichten wollt.
Habt Ihr die rund 20-stündige Hauptgeschichte – oder wie Serienveteranen sagen würden: das Tutorial – hinter Euch gebracht, beginnt es erst richtig. Mit wachsendem Jägerrang eröffnen sich immer weitere Möglichkeiten, auf Monsterhatz zu gehen. Ihr jagt diverse neue Bestien oder besonders ausdauernde Variationen und investiert tapfer erkämpfte Materialien und Geld in den Ausbau Eurer Ausrüstung und Waffen. Dazu gibt Euch der Titel zahlreiche Systeme an die Hand, die Ihr mit der Zeit immer besser begreift. Auch die Möglichkeit, spannende Monsteraufkommen in der Welt, die mit Zusatzbelohnungen winken, für spätere Felduntersuchungen vorzumerken, füttert das Gefühl von Progression auf angenehme Weise, ohne die serientypische Jagd auf seltene Materialien zu sabotieren. Das resultiert in einem herausragenden Spielfluss mit toller Sogwirkung, der Fans – und sicherlich zahlreiche Neulinge – für viele Stunden an den Bildschirm fesseln dürfte.
Meinung
Kevin Pinhao meint: Nachdem ich bereits unzählige Stunden in World und Rise gesteckt habe, war meine Vorfreude auf Capcoms neueste Monsterhatz groß. Das Potenzial zum großen Wurf war schon im Zuge unserer Hands-on-Session auf der letztjährigen gamescom ersichtlich. Nach diversen schlaflosen, aber ebenso reichlich unterhaltsamen Nächten vor dem Bildschirm kann ich nun überzeugt sagen: Der große Wurf ist gelungen. Getreu dem Motto ”Evolution statt Revolution” erfindet Monster Hunter Wilds das Serienrad nicht neu. Es entwickelt aber zahlreiche Systeme sinnvoll weiter, dreht gekonnt an den richtigen Stellschrauben und verwöhnt mit diversen cleveren Quality-of-Life-Entscheidungen, einer beeindruckenden Art Direction sowie einer hervorragenden audiovisuellen Präsentation. Das dürfte Wilds den Spitzenplatz als Serienliebling auf den Listen zahlreicher Veteranen sichern, während der Titel ebenso einen fantastischen Einstiegspunkt für Nachwuchsjäger markiert.
Thomas Nickel meint: In Sachen Schauwerte ist Monster Hunter Wilds hochgradig spektakulär. Die Welt, die Kreaturen, das Wetter und vor allem die Art, wie das alles zusammenspielt, muss man erlebt haben. Noch dazu spielt sich gerade die üppigst inszenierte Geschichte fluffig-flüssig weg. Aber an dieser Stelle gerät Monster Hunter dann auch ein wenig in Konflikt mit sich selbst. Capcom hat hart daran gearbeitet, potenzielle Reibungspunkte sorgfältig zu schleifen. Ein Unterfangen, das fast durch die Bank geglückt ist, gerade auch weil viel neuer Komfort recht optional ist. Und doch treffen hier große Triple-A-Ambitionen auf ein Konzept, das eigentlich stets durch Konzentration auf komplex verzahnte Systeme und ein simples ”Hau den Lurch durch!”-Prinzip bestach. Will sagen: Wer schon eine Zillion Stunden in die frühen Serienteile gesteckt hat, der fragt sich, wohin die Monster-Reise in Zukunft gehen soll – und hat gleichzeitig aber auch wahnsinnig viel Spaß mit den neuen Biomen und ihren wundervollen Monstern.
Wertung
toller Einstiegspunkt für neue Jäger
rund 30 Monster
3 Grafikmodi: Auflösung (30 fps), Ausgeglichen (~40 fps), Performance (~60 fps)
Herausragend spaßige Monsterjagd, die das altbewährte Spielprinzip sinnvoll überarbeitet und mit cleveren Designentscheidungen sowie einer fantastischen Präsentation punktet.
Singleplayer92MultiplayerGrafikSound
