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Schon der vollmundige Titel lässt keinen Zweifel: Arcade-Raser sind hier falsch, Race Pro ist eine knallharte Fahrsimulation. Und das kommt nicht von ungefähr: Entwickler SimBin glänzte in der PC-Welt bereits mit anspruchsvollen Titeln wie GTR, GT Legends oder Race 07. Nun widmen sich die Schweden erstmals der Xbox 360 und bauen dank hauseigener Engine ’Lizard’ auf eine bewährte Stärke: das ausgeklügelte Fahrverhalten.
Am Anfang Eurer Raserkarriere macht Ihr Euch mit einem gutmütigen Mini Cooper vertraut. Bereits hier solltet Ihr schnell ein Gefühl für den Wagen, sein Gewicht sowie das Einlenk- und Bremsverhalten entwickeln. Denn ungestümes Rasen endet garantiert im Kiesbett – gut, dass sich die Ideallinie jederzeit einblenden lässt. Doch für die Eigenheiten der Kurse braucht es mehr: Fiese Bodenwellen bringen Euren Boliden aus der Balance, Haarnadelkurven erfordern exakte Bremspunkte und sensibles Einlenken. Nur so nähert Ihr Euch Schritt für Schritt dem Grenzbereich und guten Rundenzeiten.
Ein Blick ins detailreiche Cockpit offenbart die wahre Spieltiefe: Eine in manchen Boliden vorhandene Digitalanzeige informiert nicht nur über Drehzahl und Geschwindigkeit, sondern zeigt auch die Temperatur der Bremsscheiben und Reifen. Der in den Spieloptionen zuschaltbare Verschleiß gehört da schon zum guten Ton des Titels.
Ergo müsst Ihr Euch um das Aufwärmen der Reifen für mehr Grip ebenso kümmern wie um das umsichtige Fahren auf nassen Pisten – Regenrennen sorgen so für die Extraportion Nervenkitzel. 13 Strecken fordern Euch heraus: darunter bekannte Lokalitäten wie Monza, Laguna Seca, Road America oder Oschersleben. Wirklich haarig wird es bei den engen Stadtkursen: Im portugiesischen Porto, dem französischen Pau und der chinesischen Metropole Macao schlängelt Ihr Euch durch vertrackte Straßenschluchten. Auslaufzonen gibt es hier nicht: Fahrfehler enden umgehend in der Bande, die schnell Eure Karosse in Mitleidenschaft zieht. Ebenso schnell verabschieden sich Spoilerteile. Bei heftigeren Crashs lädiert Ihr außerdem Motor und Lenkung. Dennoch müsst Ihr keine Totalschäden wie in Race Driver: GRID fürchten. Im Gegenteil: Beim Boxenstopp repariert eine unsichtbare Crew auf Wunsch Blessuren, zieht neue Schlappen auf oder füllt den Tank.
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350 Wagen (inklusive aller Varianten) von 48 Herstellern erfreuen das Raserherz. Den größten Brocken bilden Touren- bzw. Sportwagen: So tretet Ihr mit Boliden der Tourenwagen-WM (WTCC) wie dem BMW M3 GTR ebenso an wie mit Rennflundern Marke Koenigsegg CCGT, Audi R8 GT, Viper GTS-R, Seat Cupra GT oder Aston Martin DBRS9. Abwechslung bringen die agilen Monopostos der Formel BMW und Formel 3000. Ebenso luftig geht es mit verschiedenen Ausführungen der kargen Caterham-Roadster zu. Genreüblich durchlauft Ihr eine Karriere mit immer schnelleren Rennklassen. Mit einem Testlauf beweist Ihr Euch für ein neues Team, für das Ihr meist drei Rennen fahrt. Wollt Ihr keine zufällige Startplatzierung, absolviert Ihr das optionale Qualifying.
In den länger werdenden Rennen wollen Euch bis zu 15 Gegner auf die Ränge verweisen. Doch plumpes Wegschieben der Mitbewerber wie in anderen Rennspielen funktioniert hier nicht. Vielmehr tastet Ihr Euch meterweise an den Gegner heran – immer auf der Suche nach einer Lücke. Die aufgeweckten Computerfahrer nutzen ebenso jeden Schlupfwinkel und überraschen mit gekonnten Überholmanövern. Kontert nicht zu ungestüm, denn das Abkürzen der Strecke wird bestraft. Neben der Verwarnung droht eine Durchfahrtsstrafe oder gar die Disqualifikation. Gut, dass Euch die hellwachen KI-Fahrer fast nie von der Strecke schieben.
Grafisch punktet Race Pro mit schönen Wagenmodellen. Allerdings müsst Ihr mit einer Bildrate von 30 Frames pro Sekunde auskommen, die in Kurven noch etwas heruntergeht. Auf Antialiasing-Filter wurde verzichtet, was die Grafik einen Tick schärfer macht. Keine Abstriche gibt es beim Sound: In kaum einem anderen Titel klingt das brachiale Heulen des Motors oder das Krachen des Getriebes knackiger.
Trotz des hohen Anspruchs sind Einsteiger nicht verloren: Fahrhilfen wie ABS, Traktions- und Stabilitätskontrolle können stufenweise zugeschaltet werden. Profis dagegen dürfen die Empfindlichkeit der Analogsticks und -tasten oder eines vorhandenen Lenkrads justieren. Gerade bei den zahlreichen Konfigurationsmöglichkeiten werden die PC-Wurzeln von Race Pro deutlich.
Die Spielmodi sind dagegen Genrestandard: Neben der Karriere tretet Ihr zu Einzelrennen, Meisterschaft, oder offenem Training an und genießt gespeicherte Replays. Außerdem dürft Ihr mit menschlichen Mitspielern um die Wette rasen. Online sind Partien mit maximal zwölf Fahrern möglich. Im ’Hot Seat’-Modus teilt Ihr dagegen mit einem Kumpel das Pad. Gegeneinander oder kooperativ rast Ihr abwechselnd im selben Rennen – die KI übernimmt die Rolle des gerade passiven Gegners.
Meinung
Thomas Stuchlik meint: Ein Traum für Realismusfanatiker: Nach dem wenig simulationshaltigen GRID beschert uns endlich SimBin eine echte Rennsim für die Xbox 360. Das komplexe Fahrmodell ermöglicht eine tiefgründige Spielerfahrung. Auch nach unzähligen Runden sucht Ihr nach einer verbesserten Fahrlinie und exakten Bremspunkten, um die letzten Zehntelsekunden herauszuholen. Umso schöner, dass Race Pro auch mit dem Pad prima funktioniert. Jedoch sorgt einzig ein Force-Feedback-Lenkrad (für die Xbox 360 nur noch gebraucht erhältlich) für das vollendete Erlebnis. Leider bietet die Karriere wenig Abwechslung – Sonderveranstaltungen hätten hier nicht geschadet. Die zahlreichen Spieloptionen verdienen dagegen volles Lob. Schließlich wünsche ich mir noch eine PS3-Version, um auch mit Logitech-Lenkern neue Bestzeiten zu erringen.
Wertung
realistische und nachvollziehbare Fahrphysik
13 Rennkurse
350 Wagen von 48 Herstellern (verschiedene Lackierungen inklusive)
Die realistische Rennsim fordert selbst echten Rennprofis alles ab – Einsteiger schalten besser die Fahrhilfen zu.
Singleplayer82MultiplayerGrafikSound
