Cozy Games sind die besseren MMORPGs und fast glaube ich es auch

Während neue MMORPGs immer seltener werden, wächst das Genre der Cozy Games immer weiter und buhlt damit auch um die typischen MMO-Spieler.

In den letzten Jahren haben sich MMORPGs stark gewandelt. Die Gründe dafür sind vielfältig, ein Hauptaugenmerk liegt aber darauf, dass zum Release bereits alles gelöst ist, was es zu lösen gibt. Während Titel wie Ultima Online schon früh viel Fokus auf Sammeln und Craften setzten, werden Spieler in modernen MMORPGs von einer Attraktion zur nächsten getrieben, um ihre 10–bis-60-Minuten-Häppchen Spaß abzuholen.

Wer schreibt hier? Cedric Holmeier ist freier Autor bei MeinMMO und spielt MMORPGs schon seit der Kindheit. Vorallem asiatische MMORPGs haben es ihm angetan. In Spielen wie Throne and Liberty, Swords of Legends Online, Metin2 oder Jade Dynasty hat er tausende Stunden verbacht.

Dabei wurden Crafting-, Handels- und Berufssysteme immer weiter ausgehöhlt, sodass sie zur reinen Nebensächlichkeit geworden sind. In manchen modernen MMORPGs führt sogar gar kein Weg am Raid und Dungeon vorbei, um im Spiel etwas zu erreichen. Dabei sind genau diese Aspekte ein essenzieller Bestandteil des Genres. Das hat auch schon MeinMMO Ex-Redakteur Alexander Leitsch im Jahr 2021 so beschrieben.

Gleichzeitig gewinnen sogenannte Cozy Games immer mehr an Popularität, indem sie genau die Mechaniken aufgreifen und perfektionieren, die MMORPGs einst bei den gemeinsamen Urvätern wie zum Beispiel Harvest Moon abgeschaut hatten. Dadurch werden Cozy Games – auch wenn sich das komisch lesen mag – langsam zu den besseren MMORPGs.

Was ist Harvest Moon? Harvest Moon ist eine Farming-Simulation, in der Spieler einen Bauernhof aufbauen, Felder bestellen, Tiere pflegen und Beziehungen zu Dorfbewohnern knüpfen. Es prägte früh zentrale MMORPG-Elemente: Berufe, Crafting und Fortschritt durch Alltag statt Kämpfen. Das Spiel 1998 in Europa erschienen ist, zeigte, wie erfüllend Sammeln, Handeln und Gestalten sein kann.

Wisst ihr eigentlich, warum der Loot immer die gleichen Farben hat?

Nebensache: Crafting

Früher war das Sammeln von Ressourcen und das Crafting oft nicht nur eine Nebenaktivität, sondern eine tragende Säule der Spielerökonomie. Wer sich auf das Herstellen von Waffen, Rüstungen oder Tränken spezialisierte, konnte sich seinen Platz in der Gemeinschaft eines Spiels sichern. Man musste in gefährliche Gebiete vordringen, um seltene Materialien zu ergattern, oder in stundenlanger Arbeit Erze abbauen und Fische fangen.

Die Wirtschaft innerhalb der Spiele wurde durch das Spielerhandwerk angekurbelt, während Händler und Auktionen von selbst geschaffenen Produkten lebten. Raph Koster, Lead Designer von Ultima Online, erklärte in einem Interview mit MeinMMO im Jahr 2020, dass der Reiz klassischer MMORPGs gerade darin bestand, dass Spieler eine echte, lebendige Wirtschaft erschaffen.

In Ultima Online ging es darum, dass die Welt von den Spielern gestaltet wurde. Ein Schmied war auf den Bergmann angewiesen, der das Erz abbauen musste, um daraus Waffen und Rüstungen zu schmieden. Händler spielten eine essenzielle Rolle, indem sie Rohstoffe verteilten und Märkte belebten.

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Diese interessante Wirtschaft gab Spielern eine tiefere Motivation, sich auf Berufe und Crafting zu spezialisieren. Das ist etwas, das viele moderne MMORPGs weitgehend aufgegeben haben.

Wer seinerzeit Zeit einen der MMORPG-Urväter spielte, der hatte vermutlich auch einen oder gleich mehrere Gildencrafter und -sammler in seinem Umfeld, die dafür sorgten, dass die eigene Gruppe alles nötige hatte, um Kämpfe überhaupt bestreiten zu können.

Dass man andere Spieler braucht, um überhaupt für eine Aktivität gerüstet zu sein, ist längst ein Relikt der Vergangenheit. Heute droppt die Ausrüstung für Attraktion Nummer 35 in vielen Spielen bei den Attraktionen 32, 33 und 34. Selbst ist der Held.

Tarisland ist ein typisches Thempark-MMORPG der Neuzeit. Es bietet sogar einen echten Themen-Park im Spiel.

Hauptsache: Spaß

Viele der modernen MMORPGs folgen dem Themenpark-Modell: Die Entwickler setzen auf lineare Inhalte, bei denen Spieler von einer Attraktion zur nächsten geleitet werden, ohne dass sie von einer Hürde aufgehalten werden, die ihren Spielfluss unterbricht (vgl. Wikipedia). Während dies für viele Gelegenheitsspieler ein Vorteil ist, weil es den Einstieg erleichtert, führt es gleichzeitig dazu, dass tiefere Spielmechaniken wie Berufe und Handwerk immer weniger Bedeutung haben.

In klassischen MMORPGs wie EverQuest oder Ultima Online war das Handwerk oft eine echte Alternative zum Kampf – manche Spieler verbrachten ihre gesamte Zeit damit, Materialien zu farmen, zu verarbeiten und mit anderen Spielern zu handeln. Ohne das Sammeln von Ressourcen und das Crafting von Gegenständen brachen Versorgung und Wirtschaft ein. Dann schauten auch Kämpfer in die Röhre.

Wer sich auf das Herstellen von Waffen, Rüstungen oder Tränken spezialisierte, konnte sich daher seinen Platz in der Gemeinschaft eines Spiels sichern. Im Jahr 2001 wurde das Bruttosozialprodukt der Welt von EverQuest geschätzt, indem man die Preise der Spielgegenstände mit ihrem Wert auf Echtgeld-Marktplätzen und Flohmarktseiten verglich. Dabei wurde die virtuelle Welt weltweit auf Rang 77 eingeordnet – zwischen Bulgarien und Russland (via windowsunited.de).

Heute hingegen sind viele dieser Mechaniken stark vereinfacht oder nahezu bedeutungslos geworden. Anstelle von komplexen Produktionsketten oder tiefgehenden Berufssystemen sind in modernen MMORPGs oft simplifizierte Crafting-Menüs getreten. Materialien lassen sich leicht über Quests, Dungeons oder Shops beschaffen, und das Handwerk wird mehr zu einer Randnotiz als zu einem zentralen Feature des Spiels.

Obwohl der Handel in Throne and Liberty gut funktioniert, stammen viele der Materialen für nötige Ausrüstungs-Upgrades aus Dungeons.

Alternative: Cozy-Games

Während MMORPGs das echte Handwerk und die Berufe immer mehr vernachlässigen, greifen Cozy Games genau diese Mechaniken auf und bauen ganze Spielerfahrungen darum auf.

Spiele wie „Stardew Valley“, „Animal Crossing: New Horizons“, „Disney Dreamlight Valley“ oder „Dinkum“ bieten umfangreiche Sammel- und Crafting-Systeme, die oft noch tiefgehender sind als in MMORPGs. Doch sie gehen noch weiter:

Sammel- und Crafting-Mechaniken im Fokus – Während MMORPGs diese Elemente oft nur noch als Nebenbeschäftigung behandeln, sind sie in Cozy Games der Kern des Spiels. Spieler können farmen, fischen, Bergbau betreiben und ihre Umgebung aktiv gestalten sowie designen, ohne dass diese Mechaniken durch andere Spielinhalte in den Hintergrund gedrängt werden. Hier muss kein Raidboss bezwungen werden, um ein Item zu craften.

Soziale Interaktionen mit und ohne Menschen – Viele Cozy Games bieten eine simulierte soziale Erfahrung. NPCs mit komplexen Beziehungen, Multiplayer-Features oder asynchrone Interaktionen (wie bei „Animal Crossing“ oder „Dreamlight Valley“) ersetzen klassische MMORPG-Communitys. Während das Soziale in MMORPGs immer mehr durch Singleplayer-Inhalte abgeschafft wird, interessieren sich die NPCs in Cozy Games für den Spieler und schaffen durch Dialoge eine parasoziale Beziehung. Ebenso bieten einige Cozy-Games auch einen Koop-Modus an.

Keine Raids, kein PvP – aber langfristiger Fortschritt – Spieler, die in MMORPGs nur sammeln und craften wollten, fühlen sich oft in einer Welt gefangen, die sie letztendlich dazu drängt, Raids oder PvP zu spielen, um genügend Inhalte zu haben. Cozy Games hingegen geben diesen Spielern eine Möglichkeit, Fortschritte zu erzielen, ganz ohne Kampfmechaniken.

Spielzeit, die sich besser in den Alltag integrieren lässt – MMORPGs verlangen oft längere Sessions und regelmäßiges Einloggen, um am Ball zu bleiben. Cozy Games hingegen lassen sich flexibler spielen – perfekt für Gelegenheitsspieler. Und wer als Sammler schon immer nächtelang unterwegs war, den halten Cozy Games auch nicht davon ab.

Belohnungssysteme, die den MMORPG-Faktor ersetzen – Einige Cozy Games haben mittlerweile Mechaniken wie tägliche Quests, Season-Pässe oder freischaltbare Belohnungen, Erfahrungspunkte sowie Level integriert, die ähnlich wie in MMORPGs funktionieren. Dadurch bekommen Spieler denselben Dopamin-Kick wie beim Loot-Grind, jedoch ohne den Frust von Raids oder Endgame-Content und im eigenen Tempo. Ob die Erfahrungspunkte vom Monstergrind oder vom Erzabbau kommen, ist schlussendlich egal.

Housing mit mehr Freiheiten – In Cozy Games ist das Housing oft deutlich flexibler als in MMORPGs. Da es sich meist um Singleplayer- oder kleinere Multiplayer-Spiele handelt, haben Gamer weit mehr Möglichkeiten zur individuellen Gestaltung ihrer Umgebung. In MMORPGs ist Housing hingegen oft durch feste Platzierungen, limitierte Bauplätze oder instanziierte Gebiete eingeschränkt.

In Disney Dreamlight Valley belgeiten uns bekannte Charaktere beim Sammeln, Craftern und Questen.

Cozy-Games versus MMORPGs – das Fazit

Cozy Games haben MMORPGs in vielen Bereichen überholt, indem sie sich auf spezialisierte Spielerwünsche konzentrieren und Crafting, Sammeln sowie soziale Interaktionen zu einem eigenständigen Spielerlebnis machen. MMORPGs hingegen haben in diesen Bereichen nachgelassen und verlieren dadurch einen wichtigen Teil ihrer Community.

Trotzdem bleibt das MMORPG-Genre einzigartig, weil es als einziges Spielprinzip einen persistenten Charakter durch eine Vielzahl unterschiedlicher Inhalte führt – von Crafting über Quests bis hin zu PvP und Raids.

Während Cozy Games eine Alternative für Spieler sind, die nur sammeln und craften wollen, bieten sie keinerlei Ersatz für jene, die sich in herausfordernden PvE-Dungeons, Raids oder im kompetitiven PvP beweisen möchten.

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Kein anderes Genre schafft es, so viele Spielstile in einer lebendigen, miteinander verbundenen Welt zu vereinen. Damit MMORPGs diesen Vorteil nicht verlieren, müssen sie dringend wieder mehr auf Vielfalt setzen und Spielertypen, die nicht nur kämpfen wollen, besser integrieren. Und genau deshalb finde ich, dass Cozy Games aktuell fast die besseren MMORPGs sind.

Wie seht ihr das? Haben moderne MMORPGs die Zielgruppe der Sammler und Crafter vernachlässigt? Spielt ihr Cozy Games, um diese Aspekte zu erleben? Über meine Erfahrungen mit Cozy Games, genauer gesagt Disney Dreamlight Valley könnt ihr hier mehr nachlesen: Ausgerechnet ein Disney-Spiel ist für mich gerade das beste MMORPG, weil der Grind endlich wieder Spaß macht

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