MeinMMO-Redakteurin Lydia ist es gewohnt, in ihrem Lieblings-Genre zu leiden. Ein neues Roguelite auf Steam hat sie jedoch nicht nur vermöbelt, sondern ihr auch noch einen Stich ins Herz verpasst.
Roguelites sind meine absolute Leidenschaft. Ich liebe es, mir wieder und wieder an einem Boss die Zähne auszubeißen, und dabei mit jedem Anlauf etwas stärker zu werden, bis er endlich liegt – nur, um mit den frisch freigeschalteten Fähigkeiten sofort den nächsten Run zu starten.
Entsprechend hat mich Towa and the Guardians of the Sacred Tree, das zudem mit einer wunderschönen handgezeichneten Optik besticht, sofort angesprochen.
In dem neuen Action-Spiel schlüpfe ich in die Rolle von Towa, einer Priesterin der Gottheit Shinju, die über ein gleichnamiges Dorf wacht. Gemeinsam mit ihren 8 Verbündeten, den Prayer Children, zieht sie in den Kampf gegen den Dämonen-König Magatsu. Doch das geht fürchterlich schief, und die Prayer Children werden in eine andere Welt verbannt, während im Dorf Shinju die Zeit stillsteht.
Die Prayer Children müssen nun die Untergebenen des Dämonen-Königs, die 8 Magatsu-hi, besiegen, und deren Mana zurück zu Towa transportieren. Für einen Run nehmen wir immer zwei Charaktere mit: Eine Figur, den Tsuguri, steuern wir aktiv, und schnetzeln uns mit seinen zwei Schwertern durch die Gegner. Der Kagura läuft uns hingegen als Unterstützer hinterher.
Ich habe Towa bereits vorab gespielt, und schon in den ersten Stunden hat mich das Spiel mit einem Feature überrascht, mit dem ich in einem actiongeladenen Roguelite nicht gerechnet habe: emotionalem Verlust.
Autoplay
In Towa zahlt ihr für den Sieg einen Preis
Ich bin erst einmal ziemlich unbefangen in die Kämpfe gegangen, und habe unterschiedliche Kombinationen zwischen den Charakteren ausprobiert. Dazu ermutigt einen das Spiel auch, denn die Figuren haben nicht nur spielerische Synergien, sondern individuelle Dialoge, wenn ihr zwischen den Gegner-Horden am Lagerfeuer rastet.
Das änderte sich jedoch schlagartig, als ich in meinem dritten Anlauf den Boss legte, der mir bei den ersten beiden Versuchen so knapp entronnen war. Das siegreiche Duo führte ein Ritual durch, und plötzlich war mein Kagura Shigin – mein süßer, unschuldiger Shigin – einfach weg.
Ich erwartete, ihn nach seinem Sieg im Dorf anzutreffen, aber nein. Immerhin gab mir das so gewonnene Mana die Möglichkeit, die Zeit im Dorf weiterlaufen zu lassen. Hier erinnert Towa plötzlich nicht mehr an Hades, sondern an Pyre, den unterschätzten Vorgänger des großen Hits von Supergiant.
Auch da bedeutete jeder Sieg, sich von einem liebgewonnenen Charakter zu trennen. Das erfordert neben der emotionalen Komponente eine gewisse Planung, denn plötzlich muss man sich überlegen, mit wem man in die Schlacht zieht.
Oh Shigin…
Ich möchte nicht ausschließen, dass die Charaktere im Verlauf der Handlung doch noch zurückkehren, doch selbst dann werden sie nicht mehr das Dorf vorfinden, das sie verlassen haben.
Denn jeder Sieg bedeutet auch, dass die Zeit ohne sie weiterläuft: Kinder werden erwachsen, und treten in die Fußstapfen ihrer Eltern oder Meister, und die junge, hübsche Lehrerin hat plötzlich die ersten grauen Strähnen im Haar.
Normalerweise sind die Bosse mein liebster Teil in solchen Spielen. Es gibt für mich kaum ein besseres Gefühl, als nach mehreren Misserfolgen plötzlich diesen magischen Run zu haben, in dem einfach alles gelingt, und den mächtigen Gegner endlich zu bezwingen.
Die Euphorie ist in Towa zwar auch da, aber eben alles mit einer bittersüßen Note. Einerseits bin ich nach jedem Sieg gespannt darauf, zu erkunden, was sich im Dorf geändert hat. Andererseits fürchte ich den Moment, an dem mich die freundliche, alte Frau nicht mehr mit Bonbons begrüßt.
Fast möchte ich den nächsten Boss gar nicht besiegen, um mehr Zeit mit den liebgewonnenen Charakteren zu verbringen – aber eben nur fast, denn am Ende kann ich doch nicht aus meiner Haut, und wenn ich einen roten Lebensbalken sehe, wird der klein gemacht.
Nach jedem Mini-Boss ändert sich die Landschaft…
… und die sind ein echter Augenschmaus
Ob du wirklich richtig stehst …
Mit dem Kampfsystem steht und fällt die Spielfreude bei jedem Action-Roguelite und Towa hat hier zum Glück große Stärken. Gegner sind knackig und verzeihen nur wenige Fehler in ihren kurzen Zeitfenstern für Gegenangriffe. Schwerter muss ich oft wechseln, weil sie sonst schlicht zerbrechen.
Außerdem muss ich nicht nur den Lebensbalken meiner Spielfigur im Auge behalten, sondern auch den des Kagura, der viel zu oft noch im Schadensfeld steht, wenn ich mich selbst bereits in Sicherheit gebracht habe.
Beide Charaktere unabhängig voneinander zu steuern, kommt für mich nicht infrage, dafür bin ich nicht beidhändig genug. Habt ihr einen Koop-Partner könnt ihr dem jedoch die Steuerung des Unterstützers überlassen.
Die Gegner sind abwechslungsreich gestaltet und jeder Typ verwendet andere Angriffe – das macht jedoch ehrlich gesagt keinen besonders großen Unterschied, weil sie die allesamt mit großzügigen roten Flächen auf dem Boden ankündigen. Die können zwischen den Lichteffekten der eigenen Attacken aber auch schnell mal untergehen.
Tatsächlich fand ich in meinen knapp 15 Spielstunden bislang keinen der Gegner wirklich mechanisch herausfordernd, was jedoch nicht bedeutet, dass sie leicht kleinzukriegen sind. Gerade die Bosse teilen verdammt viel Schaden aus, und wenn ihr nicht aufpasst, ist euer Lebensbalken schneller weg, als ihr “Was macht ein Alien im feudalen Japan?!” sagen könnt.
Statt Boss-Mechaniken zu pauken ist es also umso wichtiger, auf euer eigenes Positioning zu achten. Die größten Erfolge hatte ich damit, abzuwarten, wo der Boss zuschlagen wird, hinter ihn zu dashen, massig Backstab-Damage austeilen, und schnell wieder aus der Gefahrenzone zu zappen.
Launiges Kampfsystem mit ein paar Schwächen
Vor einem Kampf im Restaurant zu futtern oder sich im Onsen auszuruhen, sorgt übrigens für nützliche Buffs und macht die kniffligen Bosskämpfe ein gutes Stück erträglicher.
Dann gibt es da noch das Gunst-System. Als Belohnung erhaltet ihr nach einigen Räumen neue Fähigkeiten für die Dauer des Runs. Die kommen in unterschiedlichen Seltenheiten und bedeuten meistens „mehr Schaden plus noch irgendwas“, etwa Elementar-Schaden, Crit-Chance oder Lebensregeneration.
Um diesen Gegnern beizukommen, sind verschiedene Builds möglich, die sich teilweise sehr unterschiedlich spielen. So kann ich auf Waffengewalt gehen, oder mit einem Dash-Build durch die Gegner sausen. Die Wahl der Schwerter beeinflusst zudem, ob ich Gegner mit vielen kleinen Schnitten niederhäcksle, oder alles auf eine vernichtende Ultimate-Attack setze.
Gerade bei den Elementar-Schäden hätte ich mir aber ein wenig mehr Individualität gewünscht, denn ob ich Gegner in Brand stecke, oder Blitze auf sie niederregnen lasse, hat spielerisch für mich keinen so großen Unterschied gemacht.
Die Steuerung hätte zudem noch etwas präziser sein können. In Action-Roguelites möchte ich vernichtende Kombos auf die Gegner loslassen, und mich im letzten Moment in Sicherheit bringen. Towa verlangt von mir aber, dass ich mir vorher genau überlege, ob ich einen Angriff riskieren kann, denn die Animation lässt sich nicht einfach wieder abbrechen.
Insgesamt fand ich die Kämpfe aber trotzdem sehr launig und überraschend herausfordernd.
Kämpfe sind nur die halbe Miete
Zwischen den Runs erkunde ich als Towa das Dorf Shinju, lerne die Bewohner kennen und stärke mich für den nächsten Durchlauf. Bei jedem Besuch im Dorf haben einige Bewohner kleine Zwischensequenzen parat, in denen ich mehr über ihre Geschichten und ihre Beziehungen zueinander erfahre.
Diese Szenen haben einen typischen Anime-Humor und ziehen sich für meinen Geschmack teilweise zu lang. Ich bin schließlich hier, um Dämonen zu verprügeln, nicht zum Quatschen.
Dennoch sind mir einige der Charaktere ans Herz gewachsen, und ich fand es toll, ihre Entwicklung über die Jahre zu beobachten. So ist der kleine Schreihals plötzlich ein launischer Teenager, und die kapitalistische Katze hat doch ein Herz.
Hier fehlen vielleicht Dialog-Optionen, mit denen ich selbst Einfluss nehmen kann, statt nur zuzuhören.
Ich habe im Dorf außerdem viel zu viel Zeit mit den Mini-Games verbracht, die in Towa aber tatsächlich nützlich sind.
So könnt ihr geangelte Fische gegen die unterschiedlichen Ingame-Währungen, Buffs für den Stab eures Kagura, oder Materialien eintauschen. Mit denen kann ich schmieden, inklusive Crashkurs in traditioneller, japanischer Schmiedekunst, in dem der Prozess Schritt für Schritt erklärt wird. So crafte ich mir mein eigenes Schwert nach eigenen Vorstellungen mit Boni und Aussehen.
Im Dojo mache ich meine Charaktere für die nächste Reise fit. Jedes der Prayer Children kann sowohl als Tsurugi, als auch als Kagura eingesetzt werden, daher solltet ihr hier wirklich regelmäßig umskillen, wenn ihr die Rolle eines Charakters wechseln wollt.
Weil der Kagura wie gesagt häufig etwas abbekommt, solltet ihr hier Gesundheit priorisieren. Traut ihr euch zu, den Tsurugi aus den gegnerischen Angriffen zu manövrieren, könnt ihr den Fokus hier voll auf den Angriff legen. Außerdem rüstet ihr hier Schwerter für den Tsurugi und magische Fähigkeiten für den Kagura aus.
Im weiteren Verlauf kommen immer mehr Systeme dazu, sodass es wirklich immer etwas zu tun gibt. Als ich den dritten Boss bezwungen hatte, dachte ich eigentlich, ich hätte so langsam alles gesehen und würde nun nach dem immer gleichen Schema vorgehen, doch stattdessen öffnet sich das Spiel an diesem Punkt noch einmal deutlich, und irgendwie habe ich plötzlich das Gefühl, es geht gerade erst los.
Wenn ihr Spiele wie Hades mögt, auf japanische Mythologie steht, oder in einem scheinbar niedlichen Spiel plötzlich mit dem unaufhaltsamen Voranschreiten der Zeit und eurer eigenen Sterblichkeit konfrontiert werden wollt, solltet ihr auf jeden Fall einen Blick auf Towa and the Guardians of the Sacred Tree werfen.
Das Roguelite erscheint am 19. September auf Steam, Xbox, PS5 und der Switch, und läuft auch bereits flüssig auf dem Steam Deck. Mit knapp 30 Euro ist es allerdings etwas teurer als andere Genre-Vertreter, und ich kann noch nicht ganz abschätzen, ob es wirklich deren quasi unendlichen Wiederspielwert mitbringt.
Ich für meinen Teil habe mich gerade so vom Emotional Damage meines letzten Runs erholt und freue mich darauf, mich erneut ins Getümmel zu stürzen. Für eine etwas andere Perspektive möchte ich euch zudem den Preview meiner Kollegin Jasmin ans Herz legen, die ebenfalls schon einige Stunden mit Towa verbracht hat: Ich dachte, ich brauche einen Doktortitel für ein Action-Spiel auf Steam, doch nach 5 Stunden mähte ich die Gegner nieder
Der Beitrag In einem neuen Action-Spiel auf Steam bekämpfe ich Horden von Dämonen, doch jeder Sieg ist bittersüß erschien zuerst auf Mein-MMO.
