Das Genre der MMORPGs stagniert nicht nur seit Jahren, es entwickelt sich zurück – und das nervt

Mit Blick auf die vergangenen Jahre liest man vielerorts, dass das Genre der MMORPGs auf der Stelle steht und sich kaum entwickelt. Die Einschätzung von MeinMMO-Redakteur Karsten Scholz fällt sogar noch düsterer aus.

Wir haben die große Dürre-Phase für MMORPGs der Jahre 2015 und 2020 verlassen. In den vergangenen Jahren gab es wieder mehr Veröffentlichungen, Testphasen sowie Ankündigungen für das Genre.

Aktuell befinden sich zudem derart viele spannende Projekte in der Entwicklung, wie seit vielen Jahren nicht – mit teils namhaften IPs wie Herr der Ringe, Warhammer, Guild Wars, League of Legends oder EverQuest, die bei westlichen Studios entstehen. Soweit die guten Nachrichten.

Zur Wahrheit gehört aber genauso, dass die spannendsten Projekte aufgrund der langen Entwicklungsphasen noch einige Jahre auf sich warten lassen werden. In dieser Zeit kann viel passieren. Die frühzeitige Einstellung eines eigentlich vielversprechenden Online-Rollenspiels ist keine Seltenheit – das hat uns das Ende des Zenimax-MMORPGs vor kurzer Zeit erst in Erinnerung gerufen.

Unklar ist leider auch, ob die Spiele dann überhaupt taugen. Die veröffentlichten MMORPGs der vergangenen Jahre haben sich in dieser Hinsicht nämlich leider nicht mit Ruhm bekleckert. Ganz im Gegenteil muss man mit Blick auf die Vertreter der jüngeren Vergangenheit festhalten, dass das Genre nicht nur stagniert, sondern sich regelrecht zurückentwickelt.

Throne and Liberty ist leider auch nur ein okayes MMORPG mit schicker Grafik und spannendem Fokus auf das „Massively“ geworden, das manch eine Stolperfalle für den Spielspaß besitzt.

Die alten Säcke zeigen dem Nachwuchs, wie es geht

Gehen wir doch mal durch, welche MMORPGs in welchen Bereichen die aktuelle Speerspitze darstellen:

Das beste Action-Kampfsystem? Für mich wäre da ganz klar Black Desert (von 2014) der Gewinner.

Das beste Tab-Targeting-Kampfsystem und die abwechslungsreichsten Gruppenherausforderungen? World of Warcraft (2004).

Die besten Quests? Hier fällt meine Wahl auf The Secret World von 2012.

Die atmosphärischste Welt? Herr der Ringe Online von 2007.

Das beste Mount-System und der schönste Grafik-Stil? Guild Wars 2

Wer schreibt hier? Karsten Scholz ist der MMORPG-Experte von MeinMMO. Er befasst sich seit 16 Jahren fast täglich mit dem besten Genre der Welt. Den privaten Erstkontakt gab’s 2005. Seitdem hat er in verschiedenen Online-Rollenspielen mehrere Jahre Spielzeit angehäuft und fast jeden relevanten Genre-Vertreter der vergangenen knapp zwei Dekaden zumindest eine Weile gespielt.

Diese Liste könnte man weiter und weiter führen und es würde nicht ein einziges Mal ein MMORPG auf der höchsten Position landen, das in den vergangenen 10 Jahren erschienen ist. Die jeweiligen Durchschnittswertungen auf Plattformen wie Steam unterstreichen den meist durchwachsenen Zustand der jüngeren Genre-Vertreter:

New World von 2021 auf Steam: 68 Prozent positiv

Bless Unleashed von 2021 auf Steam: 52 Prozent positiv

Lost Ark von 2022 auf Steam: 70 Prozent positiv

Throne and Liberty von 2024 auf Steam: 67 Prozent positiv

Pax Dei von 2024 auf Steam: 56 Prozent positiv (noch Early Access)

Pantheon: Rise of the Fallen von 2024 auf Steam: 74 Prozent positiv (noch Early Access)

The Quinfall von 2025 auf Steam: 47 Prozent (noch Early Access)

BitCraft Online von 2025 auf Steam: 73 Prozent (noch Early Access)

Andere aktuelle MMORPG-Projekte, die man bereits anspielen kann oder konnte – wie Chrono Odyssey, Ashes of Creation oder Corepunk -, bestätigen dieses deprimierende Bild.

Derweil finden sich in unserer Top 10 der beliebtesten MMORPGs auf Steam lauter Oldies, die oftmals eine Dekade und mehr auf dem Buckel haben, wie SWTOR, Guild Wars 2, Final Fantasy XIV, die beiden Versionen von RuneScape, ESO oder Herr der Ringe Online.

Das aktuell am besten bewertete MMORPG auf Steam – Star Wars: The Old Republic:

Wenn die Hoffnung fehlt, bleibt auch die Motivation weg

Ein großes Problem dieses Trends: Viele Genre-Fans sind derart enttäuscht vom Status quo, dass sie gar keine Lust mehr haben, viel Zeit sowie Energie in ein neues Spiel zu investieren, das ziemlich wahrscheinlich im zweiten oder dritten Monat nach dem Launch über Server-Zusammenlegungen respektive die stark schrumpfende Community nachdenken muss.

Profitieren können davon vor allem einige MMORPGs, die es schon eine gefühlte Ewigkeit gibt und die es ziemlich sicher auch in 10 Jahren noch geben wird. Das macht sich vielerorts durch steigende Spielerzahlen deutlich – hier einige Beispiele aus den vergangenen Wochen und Monaten:

33 neue Welten reichen nicht, um den Boom des 12 Jahre alten Old School RuneScapes aufzufangen, es müssen mehr her

Höhenflug von Guild Wars 2 auf Steam geht weiter, hat so viele Spieler wie nie

Ansturm auf die neuen Welten des MMORPGs zu Herr der Ringe ist so groß, dass die Entwickler nachlegen

Guild Wars 2 verzeichnet seit einigen Monaten steigende Spielerzahlen auf Steam.

Es fehlen Innovationen und sichtbare Sprünge

Wer kann es den Spielern verübeln? Abseits der Technik hat sich im Genre über die vergangenen 10 bis 20 Jahre so wenig getan, dass man heute auch mit angestaubten MMORPGs viel Spaß haben kann. Nehmen wir nur mal Action-Kämpfe als Beispiel.

Ich hatte bereits erwähnt, dass Black Desert hier für mich den Goldstandard darstellt … und das mit großem Abstand. Asiatische Entwickler waren über Jahre dafür bekannt, wuchtige Kampferfahrungen anzubieten, mit denen die westliche Konkurrenz einfach nicht mithalten kann – Tera und Blade and Soul sind 2 andere Positivbeispiele aus dem MMORPG-Genre.

Irgendwas ist jedoch in den vergangenen Jahren passiert. In vielen neuen Online-Rollenspielen fühlen sich die Kämpfe einfach schlecht an. Es fehlt ordentliches Treffer-Feedback, die Wucht von Schlägen überträgt sich nicht, die Eingaben reagieren nicht responsiv genug oder es macht aufgrund der wenigen Skills und Combo-Möglichkeiten schlicht keinen Spaß, zu kämpfen. Positive Ausnahmen? Nicht in Sicht.

Die Entwickler von Chrono Odyssey müssen noch viel Arbeit investieren, damit sich die Kämpfe des MMORPGs beim Release im nächsten Jahr wirklich gut anfühlen.

WoW war ein Problem, Mobile ist eines

Der enorme Erfolg von WoW sowie die zahlreichen missglückten MMORPG-Versuche in den nachfolgenden 10 Jahren haben dem Genre nicht gutgetan. Viele Spiele orientierten sich so stark am Genre-König, dass sich Struktur sowie Inhalte oftmals stark ähnelten, ohne die Klasse des Vorbilds zu erreichen.

Was die vielen Fails angeht: Selbst heute, nach den unfassbaren Launch-Erfolgen von Lost Ark sowie New World, finden sich kaum Entwickler oder Publisher, die ausreichend Geld in die Entwicklung eines Online-Rollenspiels investieren möchten, um mit den ganz Großen mithalten zu können.

Aion 2 soll auf PC und Mobile erscheinen. Das wird sich zwangsläufig in irgendeiner Form negativ auf die PC-Version des MMORPGs auswirken.

Alle Teams mit kleinen Größen und Budgets können indes überhaupt froh sein, wenn sie ihr MMORPG in einem halbwegs vernünftigen zeitlichen Rahmen über die Ziellinie gewuppt bekommen. Große Qualitätssprünge darf man hier nicht erwarten. Daher setzen viele dieser Projekte auch auf nostalgische Erfahrungen, die gezielt an Klassiker wie RuneScape oder EverQuest erinnern sollen.

Mindestens genauso schwer wiegt der Trend hin zu Mobile-MMORPGs, der seit den 2010er-Jahren zunehmend aufgekommen ist. Die mit diesem Trend einhergehenden technischen Restriktionen sowie die negativen Auswirkungen, die zugehörige Bezahlmodelle auf das Gameplay haben, sorgen automatisch dafür, dass die MMORPG-Spielerfahrung leidet.

Immerhin gibt es ein Licht am Ende des Tunnels: Zum einen gibt es – wie eingangs erwähnt – endlich wieder ein paar mehr namhafte Projekte, hinter denen große Budgets stehen dürften. Es kommt nicht von ungefähr, dass beispielsweise das MMORPG zu League of Legends bereits einen Neustart hinter sich hat, weil man etwas ganz Besonderes erschaffen möchte, das den Erwartungen der Fans gerecht werden kann.

Mehr zu MMORPGs:

In der Jubiläumsversion von WoW startet bald einer der besten Raids aller Zeiten, lässt die Geißel auf Azeroth los

von Karsten Scholz

15 MMORPGs zu Herr der Ringe, Star Wars, Dragon Ball, D&D und Co im Ranking – Wer setzt die Mega-Franchises am besten um?

von Karsten Scholz

Asiatische Studios möchten ihre Spiele zum anderen immer häufiger mit Blick auf den globalen Markt entwickeln, und verzichten daher auf einige der Eigenheiten, die ihnen in der Vergangenheit die ganz großen Erfolge im Westen verwehrt haben. Damit das aber auch wirklich klappt, sollten sie nicht ständig die gleichen Fehler wiederholen: 5 Fehler, die MMORPGs aus Asien vermeiden müssen, wenn sie bei uns Erfolg haben möchten

Der Beitrag Das Genre der MMORPGs stagniert nicht nur seit Jahren, es entwickelt sich zurück – und das nervt erschien zuerst auf Mein-MMO.

Leave a Reply

Your email address will not be published. Required fields are marked *