Die Polaris in Hamburg hat sich innerhalb weniger Jahre zur zweitgrößten Gaming-Messe Deutschlands entwickelt. MeinMMO-Autorin Linda Baumgartl war live vor Ort und findet: gerade die Unterschiede zur gamescom machen das Event so attraktiv.
Vom 10. bis 12. Oktober 2025 fand in Hamburg die Polaris statt. Mit rund 50.000 Besuchern und 400 Ausstellern feierte die Messe einen persönlichen Rekord und setzte den Erfolgskurs der letzten Jahre fort. Außerdem sicherte sie sich den Platz als zweitgrößte Gaming-Messe in Deutschland (Quelle: gameswirtschaft.de), obwohl Gaming nur einen Teil der Polaris darstellt – dazu später mehr.
Diese Zahlen sind schon ziemlich beeindruckend – vor allem, da das Hamburger Event erst zum vierten Mal stattfand. 2022 feierte die Polaris ihren Auftakt mit knapp 10.000 Besuchern und vergrößerte sich seitdem jedes Jahr kontinuierlich.
Erfolg hin oder her, natürlich kann es eine junge Messe wie die Polaris zahlenmäßig nicht mit dem Messe-Giganten gamescom aufnehmen. Seit Jahren ist die Kölner Messe das größte Gaming-Event der Welt und verzeichnete dieses Jahr rund 357.000 Besucher.
Messen in dieser Größenordnung sind zwar schön, weil sie einfach unglaublich viel anbieten können: Riesige Hallen, bei denen man Tage braucht, um sie abzulaufen. Namhafte Aussteller und internationales Publikum – um nur einige Aspekte zu nennen. Gleichzeitig können solche Events auch ziemlich erschlagend sein. Zu laut, zu groß, zu voll – das sind Punkte, die ich in den letzten Jahren immer häufiger im Zusammenhang mit der gamescom gehört habe. Könnte eine kleinere Messe wie die Polaris hier also Abhilfe schaffen?
Im offiziellen Aftermovie seht ihr ein paar Highlights der Polaris 2024:
Autoplay
Mehr Community, weniger Gaming
Die Polaris erstreckte sich dieses Jahr über fünf Hallen: Ausreichend groß, um viel erkunden zu können. Trotzdem bluten mir nicht die Füße, wenn ich von einem Ende ans andere laufen möchte. Was beim Schlendern durch die Hallen direkt auffällt: Dekadent große Stände einzelner Publisher sucht man hier vergebens.
Das finde ich persönlich aber nicht wirklich schlimm. Auf der gamescom treibe ich mich auch am liebsten in der Indie-Arena herum und teste möglichst viele Spiele an. Indies gab es zum Glück auch auf der Polaris, die ich mir natürlich nicht entgehen lassen konnte. Positiv war vor allem, dass der Bereich zu keiner Zeit extrem überfüllt wirkte. Mit ein paar Minuten Wartezeit konnte man die meisten Spiele problemlos testen. Außerdem waren viele Entwickler persönlich vor Ort und immer für ein nettes Gespräch zu haben.
Gleichzeitig hat es mich überrascht, wie klein der Gaming-Anteil der Messe am Ende doch war. Den Videospielen war rund eine halbe Halle gewidmet, die vor allem von der großen Haupt-Bühne und einem umfangreichen Retro-Bereich eingenommen wurde. Wer ein wenig in Nostalgie schwelgen wollte, konnte sich direkt vor Ort auf SNES, Commodore 64 und Co. stürzen. Auf dem Retro-Flohmarkt konnte man sich außerdem auf die Suche nach alten Schätzen begeben.
Die Indie-Area auf einen Blick.
In der Retro-Area gab es eine ordentliche Portion Nostalgie. (Foto: Polaris)
Auf dem Flohmarkt konnte man seltene Schätze ergattern. (Foto: Polaris)
Neuere Spiele, inklusive der Indie-Area, nahmen schätzungsweise nicht mal ein Viertel einer Halle ein. Daran sieht man schon: Die Polaris ist keine reine Gaming-Messe und möchte es auch nicht sein. Es ist vielmehr eine Community-Messe, die verschiedene Themen vereint.
Unterteilt waren die Hallen in insgesamt fünf unterschiedliche „Themenwelten“, die auch optisch gut voneinander getrennt waren. Das erleichterte die Orientierung enorm und sorgte allgemein für eine gute Struktur. Die Themen umfassten dabei:
Gaming und Retro
Asiatische Popkultur
Kunst und Community
Merch und Essen
Content Creator
Viel Platz zum Entdecken, aber nicht zu viel
Was mich nach dem Eintritt in die erste Messehalle direkt verzauberte, war die wirklich sehr umfangreiche Artist Alley. Über mehrere Hallen hinweg reihten sich zahlreiche Künstlerinnen und Künstler und boten ihre liebevoll hergestellten Kreationen an. Von Klassikern wie Prints, Stickern oder Pins bis hin zu Brotdosen, Plüschtieren oder Metallfiguren konnte man hier einiges entdecken. Gleichzeitig unterstützt man kleine Händler und kommt im besten Fall noch ins Gespräch über das Lieblings-Spiel oder den Lieblings-Anime. Win-win würde ich behaupten.
In der gleichen „Themenwelt“ wie die Artist Alley fanden sich außerdem die Tabletop- und die Cosplay-Area. Hier konnte man Fotos mit seinen liebsten Cosplayern machen, sich an einer Runde Tabletop versuchen, Workshops besuchen oder einfach die Ausstellungsstücke bewundern.
Liebevoll gestaltete Stände luden zum shoppen ein. (Foto: Polaris)
Die Artist Alley war gut besucht.
Im Tabletop-Bereich gab es detaillreiche Miniatur-Welten zu sehen.
Besonders Cosplayer freuten sich über schöne Foto-Spots. (Foto: Polaris)
Die Vielfalt der Messe zeigte sich außerdem auf den fünf unterschiedlichen Bühnen, die das gesamte Wochenende über für abwechslungsreiches Programm sorgten:
Auf der Plitch Main Stage konnten man Formate wie „Löffel, Messer, Gäbel“ mit Colin von Rocket Beans TV, „Offline & Ehrlich“ mit Trymax, Varion und unsympathischTV oder „Loot für die Welt“ mit DoktorFroid und den Space Frogs live miterleben.
Auf der Neo Taki Stage sorgte NinotakuTV für Programm Rund um Anime, inklusive zahlreicher Quiz-Runden.
Die Footprint Gaming Stage sorgte für interaktive Unterhaltung. Hier wurde zum Beispiel Mario Kart oder League of Legends gezockt.
Auf der Content Creation Stage gab es viele hilfreiche Vorträge zum Thema Content-Erstellung.
Auf der Dance Stage (und manchmal auch drumherum) wurde fleißig getanzt.
Im Mittelpunkt standen dabei stets Community, Content Creator und asiatische Popkultur. Schon alleine dieser Fokus hebt die Polaris klar von anderen Messen, wie etwa der gamescom, ab.
DoktorFroid sorgten für ordentlich Nachtisch – eine ganze Schubkarre voll Tiramisu. (Foto: Polaris)
Für den guten Zweck konnte man bei Loot für die Welt sogar getragene Socken von Gronkh ersteigern. (Foto: Polaris)
Die Dance Stage sorgte immer für gute Laune. (Foto: Polaris)
Was auf der gamescom verpönt ist, gehört hier zum Konzept
Was bei der Polaris besonders im Kontrast zur gamescom auffällt, ist der Fokus auf Content Creator aller Art. Diese gerieten auf der gamescom seit Jahren immer mehr in Verruf. Der Grund: viele Fans würden nur noch wegen einzelner Influencer auf die Messe fahren und die ohnehin schon vollen Hallen verstopfen, ohne sich überhaupt für Gaming zu interessieren. Als Folge dessen beschränkte man zum Beispiel auch das Streaming-Recht von MontanaBlack.
Von solchen Ärgernissen fehlt auf der Polaris jede Spur. Influencer sind hier kein Dorn im Auge, sondern ausdrücklich erwünscht. Es geht gerade um den Austausch – der Community untereinander, aber auch zwischen Fans und Streamern, YouTubern, Synchronsprechern oder Cosplayern.
Bisher scheint dieses Konzept auch voll aufzugehen. Namen wie PietSmiet, RocketBeansTV, Space Frogs, Trymacs, CrispyRob oder zahlreiche Synchronsprecher, zum Beispiel aus One Piece, sorgen für viel Interesse. Trotzdem hatte ich während der Messe nie das Gefühl, dass sich unangenehme Menschenmassen bilden würden. Klar waren die Hallen zu Stoßzeiten gut gefüllt. Ein Durchkommen war aber immer problemlos möglich. Hier bleibt vor allem spannend, ob das auch in Zukunft mit den immer weiter steigenden Besucherzahlen so bleiben wird.
Fazit: kein Ersatz, eine Alternative
Abschließend lässt sich sagen: Die Polaris ist kein hundertprozentiger Ersatz für die gamescom, auch wenn sie als zweitgrößte Gaming-Messe gehandelt wird. Sie ist nicht nur deutlich kleiner, sondern setzt auch thematisch andere Schwerpunkte.
Beides empfinde ich aber gerade als deutliche Stärke der Messe. Sie setzt genau da an, wo es bei der gamescom eher hapert, und holt damit viele Menschen ab. Familiäre Stimmung, Community-Austausch, ein Fokus auf Content Creator und Nerd-Kultur. All das trifft einen Nerv und bescherte der Polaris ihren raketenhaften Aufstieg.
Für die Zukunft würde ich mir persönlich vielleicht ein etwas breiteres Angebot in Richtung Gaming wünschen. Gerade Indie-Spiele passen meinem Empfinden nach perfekt ins Konzept und könnten locker doppelt so viel Raum einnehmen wie in diesem Jahr. Wenn ich mir die Entwicklung der Polaris in den letzten vier Jahren anschaue bin ich allerdings sehr zuversichtlich, dass dieser Wunsch sogar ziemlich bald in Erfüllung gehen könnte. Ich werde die Hamburger Messe auf jeden Fall weiterhin verfolgen und bin gespannt, wo sie sich in Zukunft noch hin entwickeln wird.
Der Beitrag Die zweitgrößte Gaming-Messe in Deutschland ist kein Ersatz zur gamescom, und das ist auch gut so erschien zuerst auf Mein-MMO.
