Die Homogenisierung der Völker in World of Warcraft ist deutlich zu spüren. Das regt auch MeinMMO-Dämon Cortyn höllisch auf.
World of Warcraft hat sich stark verändert und ist schon lange den Wurzeln von Warcraft III erwachsen. Klar, es gibt auch weiterhin die großen Völker des Strategie-Spiels, doch die haben in den letzten Jahren immer mehr ihrer Alleinstellungsmerkmale verloren. Denn durch das Bestehen der Allianz und der Horde sind die Völker immer näher zusammengerückt. Das hat aber auch zu etwas geführt, das in der Community gerne Homogenisierung genannt wird – viele Völker sind irgendwie gleich geworden und unterscheiden sich nur noch optisch.
Autoplay
Wer in den frühen Tagen von World of Warcraft eine Nachtelfe erstellt hat und sich aus dem Laubschattental über den Teldrassil, dann die Dunkelküste und das Eschental gequestet hat, der hatte am Ende einen ziemlich guten Eindruck davon, wer die Nachtelfen sind, wie es um ihre Kultur steht, ihre Militärstruktur, ihren Glauben zur Göttin, ihre Verbundenheit zur Natur und die Skepsis gegenüber den jüngeren Völkern.
Diese Kulturen haben sich im Grunde durch die ganze Vanilla-Welt gezogen. Denn klar, damals gab es noch keinen großen Haupt-Plot und die Entwickler haben überhaupt erst einmal die Welt ausgebaut, die mit Warcraft III etabliert wurde. Das erklärte Ziel war, die Völker vielschichtig und detailreich zu machen. Daher widmen sich jedem Volk gleich mehrere Gebiete. Damit will ich nicht sagen, dass Classic unbedingt besser in Story-Belangen war (denn das war es aus meiner Sicht nicht), aber einfach viel mehr Raum bieten konnte, um den Völkern eine starke, individuelle Note zu verpassen.
Von dieser Startposition aus hat sich WoW weiterentwickelt. Neue Völker wie die Blutelfen, Draenei oder Worgen kamen hinzu und zumindest durch die Startgebiete wurden auch deren Geschichten gut erklärt und die Eigenheiten ihrer Völker verinnerlicht.
Es gibt zwar immer wieder kleine Momente, in denen die Konflikte zwischen den Völkern aufblitzen. In Midnight sehen wir die Hochelfen des Silberbundes, die noch immer einen ziemlichen Hass auf die Blutelfen haben und sich klar ablehnend verhalten.
Doch das wird immer mehr zur Ausnahme. Gerade die letzten Patches und Erweiterungen sind davon geprägt, dass Konflikte zwischen den Völkern abgebaut werden.
Ich bin nicht grundsätzlich gegen Frieden oder Annäherung der einzelnen Völker. „Politik“ gehört in gewissem Ausmaße schon immer zu World of Warcraft.
Die Völker verlieren ihre Einzigartigkeit
Doch was mich am meisten daran stört, ist der Umstand, dass die Völker ihre Besonderheit verlieren. Im Subreddit von WoW gibt es das Meme, dass im Grunde alle Völker nur noch „Menschen mit anderen Ohren oder anderen Hautfarben“ sind – und das stimmt leider.
Hin und wieder sieht man ein kurzes Aufblitzen der Besonderheiten der Völker, wenn eine Truppe der Leerenelfe eine Menge Leerenportale beschwört oder Mondpriester den Segen der Göttin anrufen. Oder wenn es ein Ereignis ist, das ganz speziell auf ein Volk zugeschnitten ist, wie etwa die große Questreihe um Bel’ameth und die neue Heimat der Nachtelfen.
Doch in vielen Belangen wurden die Kulturen und Besonderheiten immer mehr vermischt und dann an Menschen angeglichen.
Ich vermisse Nachtelfen, die auf andere Völker irgendwie mystisch, martialisch und fremdartig wirken. Die Wesen mit einem Alter von Jahrtausenden waren, bei denen sich kurzlebigere Völker nie sicher sein konnten, was so uralte Kreaturen denken und wissen.
Und ja, ich vermisse auch den Rassismus. Denn so widerwärtig der in der realen Welt ist, so wichtig ist er für ein spannendes Fantasy-Universum, das auf der Vielfalt von verschiedensten Völkern, Kulturen und Spezies fußt. Gerade die Spannungen und Unterschiede zwischen den Völkern, die sich zu Teilen in mehr als 10.000 Jahren geformt haben, machen für mich einen großen Reiz von Warcraft aus.
Ich will sehen, wie der Konflikt von Trollen und Blutelfen immer wieder aufflammt.
Ich will sehen, wie Orcs niemals wirklich Frieden mit Nachtelfen schließen und eine Rache-Aktion zur nächsten führt.
Ich will spüren, was genau es heißt, als Nachtelfe einem sterbenden Volk anzugehören, das einstmals über die ganze Welt geherrscht hat und jetzt fast alle Gebiete an „künstlich erschaffene Aliens“ abgeben musste – denn nichts anderes sind die von den Titanen geschaffenen Kreaturen.
In den letzten Jahren gibt es davon immer weniger. Das heißt nicht, dass die aktuelle Story von WoW schlecht ist – das ist sie nicht. Ich liebe die Thematik der Leere, mochte die Charakter-Entwicklung von Anduin und finde Xal’atath als Antagonistin super.
Aber es würde mir noch viel mehr gefallen, wenn die Völker sich wieder stärker voneinander unterscheiden. Nicht nur auf dem Papier, sondern auch in den Taten und Konsequenzen in den Quests und den großen Ereignissen auf Azeroth.
Die Leerenelfen werden im Grunde kaum hinterfragt von anderen Völkern.
Die Allianz trifft es härter als die Horde
Dabei finde ich, dass diese Probleme bei der Allianz deutlich stärker sind als bei der Horde. Das mag daran liegen, dass wir erst kürzlich einen Patch hatten, der sich komplett auf die Goblins fokussiert hat, aber zum großen Teil auch daran, dass es in der Horde immer wieder interne Konflikte gab. Gegenseitiges Misstrauen, vor allem durch Sylvanas, und viele Missionen, in denen es darum geht, dass die Kulturen aufeinandertreffen und einen Konsens finden müssen.
Bei der Allianz kommt das deutlich seltener vor – und das ist schade. Ich finde es noch heute extrem beknackt, dass es im Grunde keine (oder sehr, sehr wenige) Quests gab, in denen die verschiedenen Allianz-Völker eher ablehnend auf die Leerenelfen reagieren oder auch den Lichtgeschmiedeten mit ihrem Fanatismus gegenüber skeptischer sind.
Ich glaube, dass Blizzard dieses Feedback in den Jahren auch vermehrt bekommt und selbst wissen dürfte, dass eine „Kuschelwuschel-Welt“, in der alle sich permanent annähern und immer gleicher werden und vollkommen rational zu dem Schluss kommen, dass man doch kooperieren sollte, irgendwann ihren Reiz verliert. Das sieht man an den drastischen Reaktionen zu Lady Liadrin in Midnight, aber auch schon beim Arathi-Patch, als aus einem Orc-hassenden Betreiber von Internierungslagern, der sich sogar selbst den Namen „Trollbann“ gab, plötzlich ein verständnisvoller Mann wird, der ja gar keinen Krieg will.
Was mich am meisten stört ist dabei der Umstand, dass das Ganze irgendwie wie ein Kreislauf wirkt. Ein neues Volk wird eingeführt, das für genau eine Erweiterung fremdartig, komplex und einfach „anders“ erscheint und spätestens im darauffolgenden Addon ist es dann so in die Horde oder Allianz integriert, dass die Kultur oder Besonderheiten gar keine große Rolle mehr spielen. Das war bei den Nachgeborenen so, das war bei den Vulpera so und das droht auch bei den so vielversprechenden Haranir wieder der Fall zu sein.
Dabei hilft es auch nicht, dass immer mehr Völker und Verbündete Völker sich den beiden Fraktionen anschließen. Denn bei inzwischen 26 Völkern bleibt natürlich nur ein sehr kleiner Prozentsatz an Aufmerksamkeit, die Entwickler einem einzelnen Volk überhaupt zukommen lassen können. Vielleicht wäre es gut, hier mal einen Schlussstrich zu ziehen und erst einmal keine weiteren, neuen Völker zu bringen, sondern den bestehenden wieder etwas mehr Leben und Individualität einzuhauchen.
Mich nervt das tierisch. Ich will wieder Völker, die sich deutlich und spürbar voneinander unterscheiden. Bei denen kulturelle Unterschiede zu Konflikten führen, die offene und verdeckte Feindseligkeiten austragen und häufiger mal nicht zu einem Konsens kommen. Oder wie seht ihr das?
Der Beitrag Alle Völker in World of Warcraft werden gleich – das geht mir auf den Keks erschien zuerst auf Mein-MMO.
