Nach Octopath Traveler 1 und 2 folgt nicht Teil 3, sondern Teil 0 für diverse Plattformen. Und diese Nummerierung ergibt auch Sinn, wenn man das JRPG mal gespielt hat, findet MeinMMO-Redakteurin Jasmin Beverungen. Sie hat das Spiel für PS5 getestet.
Eine neue JRPG-Reihe, die sich in den letzten Jahren etabliert hat, ist Octopath Traveler. Sie wird als Liebesbrief an die 16-Bit-Ära bezeichnet, was der besonderen Optik geschuldet ist. Die Spiele setzen nämlich auf eine Mischung aus HD-2D- und 3D-Optik in einem Pixel-Look. So bewegt man sich in einer dreidimensionalen Welt, aber eben als quadratische Figur.
Doch im Kontrast zum malerischen Look steht der Grind, für das die Reihe bekannt ist. Mit fortschreitendem Spielfortschritt ist immer mehr stumpfes Leveln nötig, um überhaupt voranzukommen und bestimmte Grenzen zu überwinden. Einen Schwierigkeitsgrad kann man hier nicht auswählen, und der vorab eingestellte ist knallhart in hohen Level-Bereichen.
Deshalb mag die Reihe bei genauerer Betrachtung wie ein traditionelles Rollenspiel aus Japan wirken. Doch gerade Octopath Traveler 0 fügt so viele gemütliche Funktionen ein, dass es sich gerade für eine Sorte von Spielern eignet.
Autoplay
Geschichte entspricht traditionellem japanischen Rollenspiel
Auf dem Papier sieht Octopath Traveler 0 wieder wie ein klassisches JRPG aus und erfüllt mehrere Kriterien, damit es in die traditionelle Riege aufgenommen werden kann:
Es gibt einen massiven Fokus auf die Story
Es gibt eine Fantasy-Welt, die man erkunden kann
Man kann Octopath Traveler 0 nur alleine spielen
Es gibt festgelegte Speicherpunkte innerhalb eines Gebiets
Octopath Traveler 0 ist quasi die Vorgeschichte zu den bereits erschienenen Teilen der Hauptreihe. Zu Beginn des Spiels verfolgt man 3 Handlungsstränge gleichzeitig, die in der Fantasy-Welt Orsterra spielen. Dabei stellt man sich jeweils einem Antagonisten, der sich entweder Reichtum, Macht/Stärke oder Ruhm verschrieben hat. Erinnert ein wenig an das Intro zum Anime von One Piece, oder?
Habt ihr euch durch die Kapitel des jeweiligen Handlungsstrangs geschlagen, beginnt wiederum ein anderer Part vom Spiel, in dem alle Begierden zusammenlaufen. Ein großes Thema spielen dabei Politik und Militär und wie sie den Kontinent formen.
Es gibt zahlreiche Plot-Twists, bei denen sich Verbündete als Feinde herausstellen, Identitäten enthüllt werden und verhältnismäßig viele Charaktere sterben. Game of Thrones lässt grüßen.
Die Geschichte soll, wie für ein JRPG typisch, etwas länger sein: Rund 100 Stunden schätzen die Entwickler für einen Durchlauf, wie sie gegenüber dem japanischen Magazin Famitsu erklären. Es ist also ein gewaltiger Brocken an ernster Story.
Lockere Momente gibt es während der Hauptgeschichte eher selten.
In meinem aktuellen Durchlauf schaue ich mir jede Nebenquest mit an, weshalb ich leider noch nicht am Ende des Spiels angekommen bin. Ich bin aktuell bei rund 40 Stunden und kann mir vorstellen, dass ich momentan etwa die Hälfte des Spiels gesehen habe.
Es gibt jedoch einen großen Unterschied im Vergleich zu den beiden Vorgängern: Statt der namensgebenden acht Protagonisten, deren Story ihr erlebt, könnt ihr dank Haupt- und Nebenquests mehr als 30 Verbündete für eure Kampftruppe hinzugewinnen.
Die Verbündeten sind teilweise leider nach einer Quest schon abgefrühstückt und erhalten nicht so den Raum, den sie in den Vorgängern erhalten haben. Der Umstand ist etwas schade, aber hätte vermutlich auch die Spielzeit ins Unermessliche gesprengt.
Rundenbasiertes Kampfsystem mit etwas weniger Taktiken
Von den über 30 Verbündeten können jeweils nur 8 zeitgleich am Kampf teilnehmen, jeweils 4 in der Vorder- und 4 in der Hinterreihe. Gerade bei der taktischen Tiefe habe ich gemerkt, dass es sich schon um eine leichtere Version der ersten beiden Octopath-Traveler-Teile handelt, denn: Die Verbündeten können gar nicht mehr ihre Nebenjobs bestimmen, sondern haben vorgeschriebene Waffen und Fähigkeiten.
Nur der Protagonist selbst, den man in diesem Spiel dafür individuell gestalten kann, kann 8 Klassen annehmen. Um doch noch etwas Tiefe in der Gruppenzusammenstellung zu bekommen, haben die Entwickler erlernbare Fähigkeiten ins Spiel gebracht, die die Verbündeten zusätzlich zu ihrem vorgefertigten Baukasten aus Fähigkeiten lernen können. So hat man zumindest etwas Gestaltungsmöglichkeiten bei der Gruppe.
Die Kämpfe laufen dann wieder rundenbasiert ab. Die Gegner müssen zunächst mit einer effektiven Waffe oder einem effektiven Element „gebrochen“ werden, damit sie für bis zu zwei Runden mehr Schaden nehmen. Man kann die Kämpfe so gesehen in 2 Phasen unterteilen: Schwächen ausnutzen, dann der ultimative Angriff.
Es gibt viele Untermenüs im Kampf, aus denen man seinen Zug aussucht.
Dabei gibt es noch das BP-System, bei dem sich mit jeder Runde automatisch Punkte in einer Leiste füllen, die ihr dann für einen stärkeren Angriff nutzen könnt. Ihr müsst dabei gut überlegen, wann und wie viele Punkte ihr einsetzt. Das Kampfsystem ist also auch ohne die fehlenden Nebenjobs aus Teil 1 und Teil 2 voll mit strategischen Überlegungen.
Vom Schwierigkeitsgrad her habe ich ebenfalls festgestellt, dass ich leichter durchs Spiel gekommen bin als gedacht. Es gibt nur einen festgelegten Schwierigkeitsgrad, weshalb ich mir Sorgen gemacht habe, dass es wie im Endgame der ersten beiden Teile zu einem massiven Grind kommen könnte, um die Level-Lücke zwischen Gegnern und mir aufzuholen.
Das war in Octopath Traveler 0 aber nie der Fall. Ich bin immer geschmeidig durchs Spiel gekommen und bislang nur 3 Mal an einem Kampf in einer Nebenmission gescheitert. Läuft es wie bei den Vorgängern ab, zieht der Schwierigkeitsgrad zum Endgame hin noch etwas an – aber vom jetzigen Stand meines Spiels aus kann ich sagen, dass ihr definitiv weniger Schwierigkeiten habt als bei Teil 1 und 2.
Wer möchte, kann es Cozy haben
Neben dem leichteren Schwierigkeitsgrad und der etwas flacheren Strategie im Kampf gibt es die wohl größte Neuerung, die das Spiel auch für Neulinge besonders interessant macht: Das Bauen der eigenen Stadt.
In die Story eingebunden müssen Spieler irgendwann ein Dorf von Null an errichten. Dabei sammelt man in der Oberwelt an leuchtenden Stellen Ressourcen, baut damit Gebäude und stellt sie an vorgesehenen Plätzen dafür auf.
Bei einem so toughen Gameplay und so einer düsteren Story kommt der Städtebau für mich genau richtig. Wenn ich nichts mehr von Mord und Krieg hören möchte, ziehe ich mich einfach in das kleine Dörfchen zurück und genieße die Idylle.
Der Aufbau der Stadt zieht sich durch das komplette Spiel. Mit höheren Leveln kommen immer wieder neue Quests hinzu, durch die man neue Bewohner für sich gewinnt und damit spezielle Funktionen freischaltet:
Einige Bewohner sammeln Ressourcen, die man wiederum zum Bauen benötigt
Es gibt Bewohner, die spezielle Aufgaben wie das Farming oder die Leitung der Kirche übernehmen
Ihr könnt frei entscheiden, welchen Bewohner ihr wofür einsetzt, allerdings haben sie in bestimmten Bereichen ihre Präferenzen
Durch den letzten Punkt ist es entscheidend, welchen Bewohner ihr in welches Gebäude setzt. Dadurch entsteht ein kleiner Managing-Aspekt, der beim Bau der Stadt zusätzlich motiviert. Teilweise habe ich die Hauptquest links liegen lassen und mich auf die Suche nach neuen Bewohnern für meine Stadt gemacht, einfach um von der düsteren Story mal loszukommen.
Die Gebäude und Dekorationsobjekte lassen sich innerhalb bestimmter Raster platzieren.
Mit Blümchen, Fässern und Brunnen kann die Stadt dann dekoriert werden. Es können sogar der Boden und die Rampen angepasst werden. Das Gestalten macht viel Spaß, wenn man ein Faible dafür hat.
Allerdings gibt es nicht eine so gigantische Auswahl wie bei Fantasy Life i oder auch Animal Crossing, was das Bauen angeht. Hier müssen bei den Freiheiten ein paar Abstriche gemacht werden, denn das Terrain und Baugebiet ist vorgegeben und es gibt nicht so viele Dekorationsobjekte wie in diesen genannten Titeln.
Eine weitere Funktion, die man aus Cozy-Games kennt, ist das Kochen. Mit gesammelten oder geernteten Zutaten können Spieler hier Gerichte zaubern, die in Kämpfen Effekte geben. Damit man das nicht vergisst, erhält man beim Ablauf eine Benachrichtigung auf dem Bildschirm.
Die Funktion ist super praktisch, aber mehr auch nicht. Man ist selbst nicht am Kochprozess beteiligt und es gibt auch keine geniale Animation wie in Monster Hunter, bei der einem das Wasser im Mund zusammenläuft. Dafür ist es besonders lustig, dass man ein Gericht aus seinem Dorf selber benennen darf. Im Spiel bei mir gibt es jetzt also einen Brathering, den ich auftischen kann. Fast hätte ich mich für einen Mochikuchen entschieden.
Wechsel von Mobile zu Konsole
Diese ganzen Auflockerungen, die Octopath Traveler 0 für Neulinge zugänglicher machen, dürften auch dem Umstand geschuldet sein, dass der Titel ursprünglich für Mobile entwickelt wurde. Unter dem Namen Champions of the Continent erschien Octopath Traveler 0 bereits vor 5 Jahren.
Das Spiel für Smartphones war zwar Free-to-play, dafür aber mit Gacha-Mechaniken. Die 30 Charaktere, die man jetzt einfach so während der Story bekommt, mussten in Pulls gezogen werden. Welche Charaktere gezogen werden, war reine Glückssache.
Dieser wilde Mix aus traditionellem JRPG und Gacha-Mechaniken wurde für die Konsolenversion zum Glück aufgebrochen. Dadurch wird die Story auch nicht mehr über Jahre in Filler-Folgen veröffentlicht, sondern kommt direkt zum Release in einem straffen Paket – ja, die 100 Spielstunden sind schon die “straffe” Variante.
Die Mobile-Vergangenheit spürt man allerdings auch bei der Optik: Diese krassen Licht- und Schatteneffekte, die es noch in den ersten beiden Teilen gab, sind hier etwas reduziert worden. Dadurch konnte das Game ohne Probleme auf dem Handy laufen.
Für die PS5-Version, die ich getestet habe, sollen Verbesserungen vorgenommen worden sein – im Grunde merkt man aber, dass viel mehr dunkle Bereiche auf dem Bildschirm sind und die Umgebungen nicht mehr so flashen wie in den beiden Vorgängern.
Dafür hat der Soundtrack überhaupt nicht nachgelassen. Egal, wo man sich gerade auf der Mao befindet, es läuft immer ein wunderschönes Lied im Hintergrund. Die Songs sind dabei so harmonisch, dass sie mich auch nach zahlreichen Spielstunden überhaupt nicht genervt haben.
Fazit: Für Neulinge von Octopath der perfekte Einstieg in die Reihe
Wolltet ihr schon immer einmal in die Octopath-Traveler-Reihe hineinschnuppern, macht ihr das am besten mit Octopath Traveler 0. Logisch, da die Null ja auch vor der Eins kommt.
Hier gibt es einen leichteren Einstieg, keine überfordernde, taktische Tiefe bei den Kämpfen und mehr Cozy-Funktionen als in den beiden Vorgängern. So können Neulinge, die bisher von dem Spielprinzip und dem Grind abgeschreckt wurden, auch einmal die besondere HD-2D-Grafik erleben.
Zudem kommen Fans von düsteren Serien wie Game of Thrones voll auf ihre Kosten. Mich haben viele Situationen im Spiel genau an diese Serie erinnert – es geht um Intrigen, Morde und Politik. Die Geschichte ist bittersüß und mit zahlreichen Wendungen, was auch nach so vielen Spielstunden bei Laune hält.
Auch die vielen verschiedenen Verbündeten und das Städte-Aufbausystem haben mich über die Spielzeit hinweg viel mehr am Ball gehalten als die Vorgänger.
Veteranen und Kenner der ersten beiden Teile müssen allerdings mit kleinen Abstrichen rechnen. Die Gruppe kann nicht so stark und frei angepasst werden wie zuvor und die Optik hat aufgrund der Mobile-Vorgeschichte etwas nachgelassen. Doch alle anderen Punkte sind noch genauso spaßig wie zuvor – wenn nicht sogar noch spaßiger.
Für wen ist Octopath Traveler 0 geeignet?
Du solltest das JRPG spielen, wenn du…
Schon immer einmal die Reihe testen wolltest
Die besondere Optik und den Soundtrack magst
Auf düstere Geschichten mit viel Tod und Politik stehst
Abwechslung in Form von Städtebau brauchst
Du solltest das JRPG meiden, wenn du…
Nichts mit dreistelligen Spielzeiten anfangen kannst
Kein Fan von rundenbasierten Kämpfen bist
Eigentlich nur Grinden willst
Ein lockeres Gacha-Game bevorzugst
Lohnt sich Octopath Traveler 0 auch für Veteranen der Reihe? Die Entwickler haben mit der 0 im Namen ihr Versprechen gehalten und das Spiel so designt, dass es sich als Vorgeschichte bestens für Einsteiger eignet. Der Grind, der Schwierigkeitsgrad und die Möglichkeiten in den Kämpfen wurden etwas zurückgeschraubt, sodass auch Anfänger bei Octopath Traveler hier gut zurechtkommen.
Für Veteranen lohnt sich das Spiel aber auch, da sie so die Vorgeschichte zu Teil 1 und 2 erfahren sowie das altbekannte Gameplay wieder erleben können – nur eben etwas abgespeckter. Man kann zwar die Charaktere nicht mehr mit Nebenjobs, dafür aber mit zusätzlichen Fähigkeiten ausrüsten. So bleibt zumindest etwas vom eigenen Designen der Gruppe erhalten.
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