Ghost of Yotei – im Test (PS5)

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Spiel:Ghost of YoteiPublisher:SonyDeveloper:Sucker PunchGenre:Action-AdventureGetestet für:PS5Erhältlich für:PS5USK:18Erschienen in:11 / 2025

Wie die Zeit doch rennt. Fünf Jahre ist es schon wieder her, seit uns Sucker Punch die Corona-­Isolation mit einer malerischen Reise ins alte Japan versüßte. Der ambitionierte Samurai-Streifen zum Selberspielen fand im Laufe der Zeit viele Fans und zementierte den Status des InFamous-Entwicklers als fester Bestandteil der PlayStation-Studios-Elite. Umso größer sind nun die Erwartungen an den Nachfolger von Ghost of Tsushima. Der Titel verrät es bereits: Ghost of Yotei rückt einen neuen Geist in den Fokus. Stolze 300 Jahre nach Jin Sakais Kampf gegen die ­Mongolen erzählt die Fortsetzung die ­tragische Geschichte von Atsu. Mit Yotei verspricht Sucker Punch aber nicht nur einen erzählerischen Tapetenwechsel, sondern ebenso eine spielerische Frischzellenkur. Ob das stimmt, verraten wir Euch im ausführlichen Test.

Ihr erinnert Euch: Haderte Tsushima-Protagonist Jin noch mit seinem eisernen Samurai-Kodex und anerzogenen Ehrgefühl, die in Konflikt mit der kompromisslosen Kriegsführung der Mongolen standen, könnten Atsu solche Ideale gleichgültiger kaum sein. Schon im zarten Kindesalter gerät ihre Welt aus den Fugen, als die sogenannten ”Yotei-Sechs” ihre Familie töten und sie zum Sterben zurücklassen. Aber Atsu stemmt sich gegen ihr vermeintliches Schicksal und macht ­Jahre später als selbstgeschulter Rache­engel Jagd auf die Urheber ihrer Pein. Gleich zum Einstieg konfrontiert sie ein betrunkenes Mitglied der Schurkenbande in einer schmutzigen Keilerei fernab ehrbarer Duell-Gepflogenheiten. Das ”Wie” spielt für Atsu keine Rolle, solange die Mörder ihrer Familie ihre Leben lassen. So kommt es, dass Ihr bereits vor der Titeleinblendung mit der tragischen Kriegerin sympathisiert, als sie das Blut der ”Schlange” nutzt, um den ersten verhassten Namen von ihrer Schärpe zu streichen. Wie poetisch und bittersüß!

Tatsächlich sind einmal mehr die Geschichte und Figuren die große Stärke des Spiels. Dabei gewinnt die Erzählung dem altbewährten Thema der Vergeltung gar nicht mal neue Facetten ab. Fans des Genres haben im Laufe der Jahre ganz ähnlich gelagerte Geschichten bereits vielfach über die große und kleine Leinwand flimmern sehen. Ironischerweise tun sich sogar frappierende Ähnlichkeiten zu Ubisofts Assassin’s Creed Shadows auf, das erst vor einigen Monaten an den Start ging. Das darf man nun wahlweise als einen Fall von ”Große Geister denken ähnlich” bewerten oder aber als Indiz dafür, dass das ­beliebte Thema langsam, aber ­sicher ausgeschöpft ist.

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Zum Glück spielt das ”Wie” hier sehr wohl eine wichtige ­Rolle. Während Ghost of Yotei sich mit seiner Geschichte nämlich kaum um Innovationen bemüht, macht es einen herausragenden Job, sie zu inszenieren. Atsus Reise ist durchsetzt von großem filmischem Bombast und feinfühligen Charaktermomenten, die Hand in Hand gehen und Euch bis zum Ende Eures Abenteuers an den Bildschirm fesseln. Atsu-Darstellerin Erika Ishii überzeugt mit ihrer tragischen ”Heldin” dabei genauso wie diverse interessante Nebenfiguren. Insbesondere Yotei-Sechs-Chef Fürst Saito hat es uns angetan. Der kommt nämlich nicht etwa als farbloser Böse­wicht daher, sondern vielmehr als vielschichtiger und charismatischer Antagonist. Angesichts dieses Umstandes sind wir fast etwas verärgert, dass sich seine Auftritte über weite Strecken auf erinnerungswürdige Vignetten beschränken.

Die filmische Präsentation erfreut übrigens nicht nur im Rahmen der Story, sondern zieht sich durch Euer gesamtes Abenteuer. Es spielt keine Rolle, ob Ihr zur Klinge greift, auf Eurem Ross über weite Blumenwiesen galoppiert oder Rast macht, um ein paar Takte auf Eurer Shamisen zu spielen – Ghost of Yotei lässt Euch ganz vorbildlich in seine Welt eintauchen. Das liegt nicht unwesentlich darin begründet, dass der Titel – vor allem in der Darstellung seiner Landschaft – zuweilen schlicht atemberaubend aussieht. Wie schon im Erstling jagt eine Augenweide die nächste, Yotei setzt hier zudem rein technisch, aber auch in der visuellen Vielfalt seiner Naturpanoramen noch mal eins drauf. Satte Blumenfelder, dichte Wälder, verschneite Berggipfel und mehr laden im Minutentakt zum Einsatz der Screen­shot-Funktion oder des erneut komplex angelegten Fotomodus ein. Dynamische Wetter- und Tageszeitenwechsel und eine adaptive Kamera, ganz nach dem Geschmack von Filmliebhabern, runden den gelungenen visuellen Eindruck ab. Makellos ist Ghost of Yotei aber nicht. Diverse Animationen wirken genauso wie manche Mimiken der Figuren hölzern – das hat Death Stranding 2 besser hinbekommen.

Trotzdem: Indem es seine audiovisuell eindrucksvolle Interpretation des feudalen Hokkaido mit tatsächlich historischen Einflüssen und Motiven aus der japanischen (Samurai-)Filmhistorie verwebt, gelingt Sucker Punch erneut die Etablierung einer beeindruckend atmosphärischen Welt.

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Alles schön und gut, aber wie äußert sich das spielerisch? Auch Ghost of Tsushima überzeugte seinerzeit bereits mit einer hochgradig kompetenten Art Direction. Spielerisch musste sich der Titel allerdings die faire Kritik gefallen lassen, bemühte Open-World-Konventionen zu bedienen und mit reichlich Repetition zu ermüden. Im Vorfeld der Veröffentlichung von Yotei versprach Sucker Punch für die Fortsetzung ”mehr Freiheit und Abwechslung” – und ja, das können wir durchaus bestätigen.

Allerdings unter Vorbehalt: Diverse im Vorgänger arg bemühte Spielelemente kommen auch hier wieder zuverlässig zum Einsatz. Ihr sucht weiterhin heiße Quellen auf, um Eure Lebenskraft zu erhöhen; stutzt Bambus, um an Eurem Fokus zu feilen; und folgt Füchsen und Vögeln an interessante Orte – etwa Schreinen, die Euch mit Fähigkeitspunkten belohnen. Das alles tut Ihr weiterhin in aller Regelmäßigkeit, wenngleich Yotei einen besseren Job macht, diese Aktivitäten organisch mit Eurem Abenteuer zu verweben. Auf Euren Reisen lauscht Ihr etwa den Hinweisen von Siedlern, erwerbt Kartenfragmente von Händlern oder greift zum Fernrohr, um interessante Punkte in der Ferne auszumachen. So füllt Ihr Eure zunächst blanke Karte aktiv mit Landmarken, die regelmäßig zu optionalen Abstechern motivieren. Das fühlt sich gerade zu Beginn ein gutes Stück immersiver an als noch im Vorgänger, wenngleich sich die neuen Abläufe im weiteren Spielverlauf trotzdem spürbar wiederholen.

Dem wirken unter anderem die neuen Kopfgeldjagden entgegen. Im Rahmen dieser macht Ihr Jagd auf individuelle Ziele, die zumeist mit eigenen kleinen Geschichten und spielerischen Kniffen daherkommen. Ihr konfrontiert etwa einen schießwütigen ­Waffennarren, trotzt einem Schurken, der Euch hinterlistig an sein ­Lagerfeuer lockt, oder nehmt es mit jemanden auf, der mit einem Bären ein exotisches Haustier hält.

Ebenfalls spaßig gestalten sich die aufwendig angelegten Nebengeschichten. So geht Ihr bei diversen Senseis in die Lehre oder jagt Mythen nach – etwa jener um den rastlosen Geist eines Samurais. Solche Abenteuer belohnen Euch dann mit neuen Rüstungen, vor allem aber diversen Waffen, die Ihr allesamt wieder mit gesammelten Ressourcen auf­wertet.

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Stichwort ”Waffen”: Verließ sich Jin Sakai noch vorwiegend auf sein Katana, nutzt Atsu jedes Kriegswerkzeug, das sie in die Finger bekommt. Neben dem Katana winken Doppelklingen, Speer, ­Odachi, Kusarigama sowie diverse Bögen und Feuerwaffen. Diese dienen nicht nur zur optionalen Abwechslung, sondern wollen sinnvoll eingesetzt werden, damit Ihr in den merklich anspruchsvolleren Gefechten nicht den Kürzeren zieht. Auf normalem Schwierigkeitsgrad reichen – vor allem im späteren Spielverlauf – eine Handvoll feindlicher Hiebe, um Euch aus den Socken zu hauen. Ihr blockt und pariert also farblich codierte Angriffe und nutzt das Schere-Stein-Papier-Prinzip, nach denen die unterschiedlichen Waffentypen funktio­nieren, zu ­Eurem Vorteil.

Das bereitet angesichts toller Animationen, einer übersichtlichen Kamera und zuverlässigerem Quasi-Lock-on unheimlich Spaß. Gerade wenn Yotei die filmischen Muskeln spielen lässt und Euch bei Sonnenuntergang und wehenden Blütenblättern oder vor den Brandherden einer stürmischen Schlacht zu epischen Duellen einlädt, ist das ausgesprochen elektrisierend. Sind es diese Momente gewesen, die Euch ans Original gefesselt haben, dürft Ihr Euch freuen.

In diesem Kontext stellen dann auch die Konfrontationen mit den Yotei-Sechs die Höhepunkte dar. Ihr arbeitet eifrig auf jeden Oberschurken hin, die allesamt mit eigenem Thema und spielerischem Fokus aufwarten. Geht es in der Jagd auf den kriegerischen Oni etwa laut zur Sache, konfrontiert Euch der Kitsune mit listigen Shinobi-Praktiken. Übrigens: Im Vorfeld der Veröffentlichung bewarb Sucker Punch die Jagd auf die Yotei-Sechs mit spielerischer Freiheit – wem Ihr wann nachjagt, solltet Ihr in der Hand haben. Das stimmt nur bedingt. Ja, Ihr könnt an unterschiedlichen Fronten Ermittlungen zu diversen Zielen anstellen. In welcher Reihenfolge es ihnen an den Kragen geht, gibt der Titel dann aber doch – zum Wohle der Dramaturgie – relativ strikt vor.

Ernüchternd fällt auch das stolz beworbene Feature zum nahtlosen Übergang in Atsus Vergangenheit aus. Zuvor hinterfragten wir bereits die Tiefe der Mechanik und tatsächlich beschränken sich die durchaus nett präsentierten Zeitreisen auf überschaubare Momente zur ­Etablierung von Atsus Motivation. Das ist zweifellos schick gemacht, wirkt dann aber doch mehr wie ein Gimmick als ein wichtiges Spielelement. Angesichts des sonst so rundum gelungenen Abenteuers fallen diese Punkte allerdings klar unter die Kategorie ”Meckern auf hohem Niveau”.

Meinung

Kevin Pinhao meint: Ghost of Yōtei knüpft an die Qualität des vorbildlich atmosphärischen Erstlings an und setzt in so ziemlich jedem Aspekt eine Schippe drauf. Um Risiken und Experimente macht die Fortsetzung dabei zwar einen großen Bogen, vor allem spielerisch findet Sucker Punch aber sinnvolle Wege, um die konventionelle und repetitive Open-World-Spielerfahrung des Originals ­gelungen aufzulockern. Gepaart mit einem herausragend inszenierten, wenngleich wenig innovativen Rachefeldzug hielt mich der Titel bis zur und über die Ziellinie hinaus am Ball – da war bei Teil 1 längst die Luft raus. Vielleicht geht Yōtei rundum ein wenig zu sehr auf Nummer sicher, das beispiellos präsentierte Abenteuer legt die Messlatte für filmische Samurai-Action aber wieder selbstbewusst ein Stück höher. Seid Ihr Fan des Erstlings, greift Ihr blind zu.

Oliver Schultes meint: ”Was? Schon wieder 2:30 Uhr in der Nacht?” Die Zeit verfliegt, sobald man in Atsus Rolle des Racheengels schlüpft, die atemberaubend schöne Welt bereist, feindliche Lager in Stealth-Manier ausräumt, Gegner in intensiven 1-gegen-1-Duellen niederringt, sich den Miniquests der Wolfsbegleiterin widmet, hier noch zu einer eben entdeckten Landmarke reitet, nebenbei einen Fels zu einem Schrein erklimmt, seine Waffen in der Schmiede verbessert, unbescholtene Bürger vor Dieben rettet und, und, und. Ja, im Verlauf wiederholen sich Eure Tätigkeiten und verlieren an Faszination – dafür motiviert die übergreifende Jagd auf die Yōtei-Sechs bis zum Ende. Was leider etwas am wunderhübschen Grafiklack kratzt, sind die Gesichtsanimationen vieler Figuren, die zum Teil aus der vorherigen Technikgeneration stammen. Auch mit der Kamera und dem Fokus auf einzelne Feinde in einer Gruppe hatte ich mitunter Probleme. Tipp für ”Souls”-Gestählte: Stellt auf ”schwer” und nutzt das entsprechende Tasten-Layout im Optionsmenü.

Wertung

toll umgesetzte Grafik- bzw. Spielmodi (Kurosawa, Miike, Watanabe)
Sprachausgabe auf hohem Niveau
stabile Bildrate und minimale Ladezeiten
feinfühliger Soundtrack von Toma Otowa 

 

Beispiellos präsentiertes Rache-Märchen, das zwar von großen Risiken absieht, die Schwächen des Vorgängers aber gelungen in Angriff nimmt.

Singleplayer89MultiplayerGrafikSound

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