Warum gehen große YouTuber gerade zu Twitch?

Im Januar 2024 kündigten gleich 2 bekannte deutsche Gaming-YouTuber an, die Produktion ihrer aufwendigen Videos herunterzufahren und künftig mehr auf Twitch zu streamen: HandOfBlood und Kalle Koschinsky. Grund genug für MeinMMO, sich das einmal anzusehen: Warum wechseln YouTuber auf Twitch?

Was ist die Situation? In den vergangenen Jahren musste Twitch viel Kritik einstecken und verlor einige seiner Top-Streamer.

Schon 2019 wechselten Top-Stars wie Ninja oder shroud zu Mixer.

Ab 2022 ging YouTube auf große Einkaufs-Tour und kaufte einige Stars der Streaming-Plattform. Insbesondere für „saubere“ Streamer war YouTube attraktiv.

Seit 2023 kommen einige der eher kontroversen Content Creator bei der neuen Konkurrenz-Plattform Kick unter. Der ehemalige Overwatch-Profi xQc war lange die Nummer 1 auf Twitch und erhielt von Kick einen Deal, der ihn in einer Liga mit Profi-Sportlern wie LeBron James spielen ließ.

Doch in den letzten Wochen zeichnet sich plötzlich eine neue Entwicklung ab. Mit Maximilian „HandOfBlood“ Knabe entschloss sich einer der bekanntesten deutschen Gaming-YouTuber im Januar 2024 überraschend zu einem Wechsel auf Twitch. Kurz zuvor hatte der befreundete YouTuber Kalle Koschinsky bereits eine ähnliche Ankündigung gemacht.

YouTube lohnt sich nur bedingt für viele Creator

Was macht Twitch plötzlich wieder attraktiv? Welche Beweggründe die Content Creator letztlich für einen Wechsel haben, dürfte von Person zu Person verschieden sein. So berichtet HandOfBlood in seiner Ankündigung von mangelnder Selbstverwirklichung und schwindendem Spaß beim Video-Dreh. Er habe sich mit den konzipierten YouTube-Videos ein Stück weit selbst verloren – die Zuschauer wollten wieder mehr „Hänno pur“.

Dennoch lassen sich einige Muster erkennen. In der Diskussion taucht eine Aussage immer wieder auf: „Aufwendige Videos lohnen sich nicht.“ Der YouTuber „Jules“ teilte 2023 seinen errechneten Stundenlohn von 5,29 € für die Arbeit an seinen durchkomponierten Videos. Dazu äußerte er den Verdacht, YouTube sei einfach nicht mehr für aufwendige Videos gemacht.

Das liegt auf YouTube unter anderem an dem sogenannten CPM, der angibt, wie viel Content Creator pro Aufruf verdienen. Der Wert ist für jeden Kanal individuell festgelegt und hängt von verschiedenen Faktoren ab. Das führt etwa dazu, dass der deutsche Twitch-Streamer Trymacs unterschiedlich viel mit seinen Kanälen verdient und andere sogar nur Cent-Beträge erhalten.

Diese Art der Monetarisierung macht es für manche Content Creator deutlich schwerer, mit YouTube Geld zu verdienen. Dabei ist es gerade die relative finanzielle Sicherheit, welche die Video-Plattform für viele attraktiv macht. Dieser Sicherheit auf YouTube stand lange eine Kultur auf Twitch gegenüber, die zum ständigen „Grind“ animiert, bis hin zur Selbstausbeutung.

Mittlerweile hat sich aber unter Content Creatorn auch die Erkenntnis breit gemacht, dass der allmächtige Algorithmus jene YouTuber bevorzugt, die regelmäßig neue Videos erstellen – und jene abstraft, die nur selten neue Videos auf YouTube hochladen.

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Was ist dann die goldene Formel? Es kommen also zwei Elemente zusammen:

YouTube belohnt jenen, der regelmäßig neue Videos hochlädt

Wer sehr viel Zeit in ein einziges Video steckt, hat das Gefühl, nicht dafür belohnt zu werden

Aus den USA ist daher schon seit einigen Jahren der Trend bekannt, dass große Content Creator auf Twitch senden und Ausschnitte ihrer Videos dann per YouTube zweit-verwerten. Streamer wie Asmongold oder xQc begründeten diesen Trend, live auf Twitch zu streamen und auf YouTube nur Ausschnitte hochzuladen.

In den letzten Jahren hat sich dieser Trend immer mehr etabliert, auch durch die sogenannte „Reaktion-Meta“: Twitch-Streamer schauen sich live auf Twitch die Videos anderer Content-Creators auf YouTube, TikTok oder Twitch an und reagieren darauf. Ausschnitte dieser Reactions werden dann auf YouTube veröffentlicht.

Die Streamer haben so das Beste aus beiden Welten: Sie bespielen live Twitch, interagieren mit dem Chat und anderen Content Creatorn, sammeln so Subs oder können ihre Werbedeals unterbringen, bleiben also relevant.

Gleichzeitig können sie regelmäßig Videos auf YouTube hochladen, die ihnen keine weitere Arbeit machen – meist übernehmen Cutter, freiberuflich und angestellt, den Schnitt und das Hochladen der Videos.

Tatsächlich kündigten sowohl HandOfBlood als auch Kalle Koschinsky an, dass sich auf ihren YouTube-Kanälen gar nicht so viel ändern werde. Ersterer lädt auf seinem Zweitkanal „HandOfUncut“ Videos im gleichen Stil wie sonst auch hoch – nur, dass es dabei Aufnahmen aus seinem Stream sind, statt eigens produzierter Videos.

Kalle Koschinsky bespielt seinen YouTube-Kanal ebenfalls weiterhin mit Mitschnitten seiner Streams, für diejenigen Zuschauer, die nicht live dabei sein können oder wollen. Bislang haben diese Videos allerdings deutlich weniger Aufrufe, als seine gewohnten Inhalte. Es bleibt also abzuwarten, ob sich der Wechsel zum „Daily Streamer“ auf lange Sicht auszahlen wird.

Gerade begnadete Unterhalter wie HandOfBlood können so auf ihr Charisma und ihre Fähigkeit zur Improvisation setzen und im Stream live operieren, nutzen und füttern aber weiterhin ihre aufgebaute Reichweite für YouTube für maximalen Profit.

Es ist also kein Zufall, dass gerade deutsche YouTuber jetzt vermehrt auf Twitch wechseln, es ist aktuell das etablierte Geschäftsmodell, das maximale Reichweite verspricht.

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