Wenn es klingelt und der Pizzabote vor der Tür steht, ist es für die meisten Leute ein Grund zur Freude. Doch was, wenn dutzende Lieferfahrer mit Essen auftauchen, das man gar nicht bestellt hat? Solche Essensraids sind ein großes Problem auf Twitch, doch kaum jemand spricht darüber.
Was ist das für ein Problem? Das sogenannte Swatting ist auf Twitch mittlerweile ein bekanntes Problem: Dabei werden Polizei- oder Feuerwehreinsätze mit gefälschten Notrufen ausgelöst. Der Begriff leitet sich vom US-amerikanischen Sondereinsatzkommando SWAT ab.
Wenn eine Twitch-Streamerin ihr Trauma nach so einem Swatting-Vorfall schildert oder man liest, dass ein 28-Jähriger bei so einem Einsatz erschossen wurde, erscheint der “kleine Bruder” des Swatting erstmal vergleichsweise harmlos: unerwünschte Essensbestellungen, die Streamern nachhause geliefert werden.
Doch auch diese Essensraids sind ein ernstzunehmendes Problem und haben weitreichendere Folgen, als auf den ersten Blick anzunehmen ist. Der Verein TeamKompass e.V. arbeitet mit Betroffenen zusammen. Auf ihrer Website klären sie zudem über das Problem auf.
Der Twitch-Streamer Tanzverbot berichtete unlängst, schon über 100 Swatting-Einsätze und Essensraids erlebt zu haben.
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Psychische Belastung und wirtschaftliche Schäden
Warum sind Essensraids so ein Problem? Für die Betroffenen stellen die vermeintlichen Scherze oft eine psychische Belastung dar. Ihnen wird vermittelt: Ich weiß, wo du wohnst. Die Twitch-Streamerin JadeyAnh wurde 2020 mitten im Stream Opfer eines solchen Essensraids. Sie brach in Tränen aus und musste ihren Stream abrupt beenden (via Sportskeeda).
In dieser Form bekommen Zuschauer die Problematik jedoch nur selten mit: Twitch-Streamer vermeiden es für gewöhnlich, das Thema offen anzusprechen. Den Tätern soll keine Aufmerksamkeit geschenkt werden, zudem sollen Nachahmer nicht ermutigt werden.
Der Twitch-Streamer Tanzverbot berichtete im November 2023, schon mindestens 50 Swatting-Einsätze erlebt zu haben. Würde er Essenslieferungen dazurechnen, läge er bei über 100 Vorfällen. Einmal sei seine gesamte Straße voller Liefer-Vans gewesen, berichtet der Content Creator.
In solchen Fällen würde es dann auch bis zu anderthalb Stunden dauern, die Sache aufzuklären und alle Zulieferer loszuwerden. Oft würde sich auch die Kommunikation mit den Fahrern schwierig gestalten.
Aber nicht nur den Twitch-Streamern wird damit geschadet: Auch den betroffenen Restaurants entsteht ein finanzieller Schaden. Immerhin haben sie Zeit und Zutaten in die Bestellungen investiert und bleiben oft auf den Kosten sitzen.
Mithilfe von künstlichen Intelligenzen können Täter mittlerweile sogar hunderte oder gar tausende Fake-Bestellungen generieren. Für die Betreiber wird es dann zunehmend schwerer, mit der Flut an Bestellungen umzugehen.
Warum wird nichts unternommen?
Welche Rolle spielt Lieferando? Der Verein TeamKompass e.V. setzt sich gegen Hate-Raids auf Twitch ein. Sie klären über die Problematiken auf, beraten Betroffene und arbeiten mit der Polizei und anderen Sicherheitsbehörden zusammen – denn Swatting und Essensraids sind keine Kavaliersdelikte und können ernste Konsequenzen haben. Schon das sogenannte Doxxing, also das öffentliche Verbreiten personenbezogener Daten mit dem Ziel, dieser Person zu schaden, ist strafbar.
In einem Bericht schreibt TeamKompass, dass der Schaden durch Fake-Bestellungen über Lieferando wohl im zweistelligen Millionenbereich sei. Der Verein wirft dem Lieferdienst vor, keine ausreichenden Sicherheitsmechaniken in ihr Bestellsystem zu integrieren.
So sollten Massen-Bestellungen an eine einzige Adresse oder Spam-Bestellungen an ein Restaurant eigentlich vom System geflaggt werden. Sie fordern von Lieferando, sichtbare Maßnahmen zu ergreifen, um den Essensraids Einhalt zu gebieten: So könnte man beispielsweise einschränken, wie viele E-Mail-Adressen pro Kunde oder Adresse hinterlegt werden können.
Betroffene haben zwar gegebenenfalls die Möglichkeit, ihre Adresse ganz sperren zu lassen oder Vereinbarungen mit Restaurants zu treffen, dass sie nur unter bestimmten Bedingungen beliefert werden, es sollte jedoch nicht Sache der Betroffenen sein, das Problem zu lösen.
Wir haben Lieferando um eine Stellungnahme zu der Thematik gebeten und aktualisieren die Meldung, sobald wir eine Antwort haben.
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